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Mein Sohn ist meine Tochter – Kathrin Stahl im Gespräch mit Veit Lindau – Folge 114

Beim folgenden Text handelt es sich um automatisch generierte Zeilen des von Veit Lindau eingesprochenen Podcasts. Diese wurden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz korrigiert, sodass sie weitgehend korrekt sind. Für etwaige Fehler entschuldigen wir uns. Den Originalpodcast kannst du über die untere Player-Leiste hören.

Mein Sohn ist meine Tochter – Kathrin Stahl im Gespräch mit Veit Lindau – Folge 114

Beim folgenden Text handelt es sich um automatisch generierte Zeilen des von Veit Lindau eingesprochenen Podcasts. Diese wurden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz korrigiert, sodass sie weitgehend korrekt sind. Für etwaige Fehler entschuldigen wir uns.

Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag und herzlich willkommen zu einer weiteren Podcast-Episode in meinem Podcast „Seelengevögelt – für die Rebellen des Geistes“. Heute darf ich dir schon verraten, dass ich einen ganz besonderen Gast bei mir im Studio habe.

Kurze Vorgeschichte: Wie ihr sicher wisst, beschäftigen Andrea und ich uns, seitdem wir angefangen haben, das Buch zu schreiben, sehr viel mit weiblichen und männlichen Kräften, wie diese in Männern und Frauen verteilt sind, was sich in Männern und Frauen entwickelt und auch damit, wie sich in der letzten Zeit in unserer Gesellschaft – Gott sei Dank – sehr viel tut.

Menschen werden immer offener dafür, alte Geschlechterrollen zu hinterfragen und genauer hinzuschauen. Was ist eigentlich Mann, was ist eigentlich Frau? Ist das alles vorgegeben? Muss ich mich an diese Rollen halten? Und was ist, wenn es vielleicht noch mal etwas ganz anderes ist? Deswegen freue ich mich besonders, dass du heute hier zu Gast bist. Herzlich willkommen, Kathrin Stahl aus Hamburg.
Danke, Veit, dass ich da sein darf. Ich finde es auch ganz wundervoll, heute hier mit dir sprechen zu dürfen. Ich möchte mich auch bei dir bedanken. Du bist extra aus Hamburg angereist, das ist für mich wirklich ein großes Geschenk. Live ist es noch mal viel schöner als über die Leitung.

Kathrin, ich habe dich eingeladen, weil ich zum einen, als ich im Internet von deiner persönlichen Geschichte gelesen habe, sehr berührt war und gleichzeitig das super cool fand, was du aus dieser persönlichen Geschichte für ein Projekt hergeleitet hast. Über beides würde ich heute gerne mit dir sprechen. Aber vielleicht ganz kurz für die Zuschauer und Zuhörer: Wer bist du, was machst du? Wo kommst du her?

Ich bin Kathrin aus Hamburg. Ich habe drei Kinder, eine große Tochter, einen großen Sohn, der auch erwachsen ist, und einen kleineren Sohn, der 15, 14 ist, einen Mann, einen Hund, einen Kater und ein Pferd. Also voll busy. Genau. Und ich bin Fotografin, Menschenfotografin, und ich fotografiere alles, was mit Menschen zu tun hat. Dabei ist es mir immer wichtig, nichts Gestelltes zu fotografieren, sondern den Menschen ganz nah zu kommen und ihn so zu zeigen, wie er wirklich ist.

Das klingt wunderbar und passt, wie ich finde, auch wunderschön zu der Erfahrung, über die ich heute gerne mit dir sprechen möchte. Du hast drei Kinder, das hast du ja schon gesagt. Lass uns das so formulieren, ein bisschen spannend machen: Mit einem Kind sind die Dinge etwas anders verlaufen, als sie sollten. Ursprünglich hast du drei Söhne gehabt. Mit dem ältesten Sohn ist dann etwas passiert, was vielleicht viele von uns hier noch gar nicht gehört haben, dass so etwas möglich ist. Manche vielleicht mal so nebenbei. Es gibt viele skurrile Vorurteile, aber vielleicht magst du es einfach mal aus deiner Sicht erzählen.

Ja, sehr gerne. Ich kann das nicht genau sagen, vor wie vielen Jahren es tatsächlich angefangen hat, weil es fließend war. Irgendwann fing unser Kind, von dem wir dachten, es sei unser Sohn, an, in Frauensachen auf die Straße zu gehen. Am Anfang, das hat mir gerade eine Freundin auch letztens gesagt, dass ich ihr erzählt habe, ich hätte dann auch die Tür zugemacht, weil ich das nicht sehen wollte. Das hatte ich ehrlich gesagt verdrängt, weil ich dachte, das war ja von Anfang an ganz leicht. Aber nein, wir dachten, unser Kind will uns provozieren.

Kannst du ungefähr schätzen, wie alt das Kind war?
Ungefähr 18. Und dann wurde aus dem „Ich gehe am Wochenende als Frau vor die Tür“ ein „Ich gehe immer als Frau vor die Tür“ und dann wurde klar, sie ist gar kein Junge, sondern sie ist eine Frau.

Dieser erste Moment, wo das bei dir gedämmert hat. Normale Eltern erwarten einfach, dass ihre Kinder die Rollen erfüllen oder die Bilder, die Visionen, die wir von ihnen haben. Ich habe zum Beispiel witzigerweise immer von meiner Tochter innerlich gesehen, wie ich dann, wenn sie mal mit einem Kerl kommt, diesen Kerl total checke und mit ihm spreche und teste, ob er der Richtige für meine Tochter ist. Als meine Tochter dann tatsächlich mit ihrer Partnerin vor der Tür stand, war ich erst mal total perplex, weil ich gemerkt habe, darauf bin ich nicht vorbereitet. Kannst du dich da noch an das Gefühl erinnern?

Ich kann mich daran erinnern, dass das nicht so war, „Oh man, so habe ich mir das nicht vorgestellt“, sondern es war mehr: „Was passiert mit meinem Kind und wird es leiden müssen?“ Das war die einzige Sorge, die ich hatte. Mir hat wirklich geholfen, dass ich keine klaren Vorstellungen davon hatte, in welches Leben meine Kinder mal gehen. Ich dachte nicht, sie werden mal dies oder das. Es war wirklich: Was kommt, das kommt. Dass jetzt das kommt, damit hatten wir nicht gerechnet. Aber die große Sorge war halt wirklich ihre Gesundheit. Was macht das mit ihr?

Konntet ihr von Anfang an darüber sprechen?
Ja, sie war von Anfang an ganz offen und hat alles erzählt. Das war dann auch so der Ausschlag, wo ich dachte, hier muss echt was passieren, weil sie häufig nach Hause kam und erzählte, was sie erlebt hat. Und das waren selten schöne Sachen. Da wollte ich gerne für sie in die Bresche springen. Jetzt können wir auch das Kleine lüften. Sie heißt Marie. Ich habe von dir gerade gelernt, das finde ich auch wichtig zu wissen, dass viele dieser Menschen nicht mit dem alten Namen angesprochen werden möchten, weil sie das wirklich nicht mögen.

Genau. Tatsächlich ist es für die meisten Menschen so, dass dieser Name nie etwas mit ihnen zu tun gehabt hat. Kann sich Marie daran erinnern, wann sie gemerkt hat, dass etwas anders ist als bei den anderen Jungs?
Das war wohl schon im Kindergarten. Da hat sie mit Jungs überhaupt nicht gespielt und hatte immer Freundinnen. Auch in der Schulzeit war es so, dass sie lockerer mit Jungs umging, aber sie konnte immer besser mit Mädchen. Da hat sie dann vielleicht schon darüber nachgedacht, was da anders ist. Der Weg war eine langsame Entwicklung. Ich habe einige Menschen kennengelernt, die Transidentität in ihrem Leben haben, und viele haben gesagt, als kleines Kind wusste ich schon, was hier Sache ist. So genau war das bei ihr, glaube ich, nicht. Aber es gab diesen Punkt, zum Beispiel beim Abi, da hat sie sich das erste Mal in hochhackigen Schuhen vor ihren Mitschülern gezeigt, als sie das Abi-Zeugnis übernahm. Da stand sie in hochhackigen Schuhen auf der Bühne.

Kannst du dich an die Reaktionen ihrer Mitschüler damals erinnern?
Es haben schon einige ganz komisch geguckt. Ich verstehe das auch, weil wenn du jahrelang mit einem Mitschüler unterwegs warst und bis zum Abi gegangen bist, und dann steht er auf einmal in hochhackigen Schuhen auf der Bühne, das ist komisch. Aber es ist auch niemand aus dieser Schulzeit als Freund erhalten geblieben. Eine allerbeste Freundin hat sie, die sie auch den ganzen Weg über begleitet hat, vom Abi bis jetzt.

Ihr hattet das große Glück, dass ihr von Anfang an darüber sprechen konntet. Dein Mann, also ihr Vater, ist dem gegenüber relativ offen umgegangen.
Mein Mann ist nicht ihr Vater. Mein erster Mann hat das relativ schnell akzeptiert und mein jetziger Mann und ihr Stiefvater auch.

Wie war das für dich, als sie nach Hause kam und angefangen hat, darüber zu berichten, was sie erlebt hat?
Es war furchtbar. Das war wirklich schlimm. Ganz am Anfang, als mir noch nicht klar war, dass in meinem Kind eine Frau steckt, dachte ich, na ja, was willst du denn? Du gehst als Junge auf die Straße und wunderst dich… nein, du gehst als Frau auf die Straße und bist aber äußerlich ein Junge. Warum wunderst du dich, dass die Menschen gucken? Du provozierst es ja auch. Das habe ich auch gesagt. Im Nachhinein tut mir das so leid, weil vielleicht hätte ich es wissen sollen, aber da war ich noch nicht so weit. Später, als dann klar war, wir haben uns alle getäuscht und ich mit ihr unterwegs war, haben wir schlimme Sachen erlebt. Zum Beispiel waren wir Essen und am Nebentisch war eine lustige Herrenrunde, die ständig rüberguckte und lachte. Da dachte ich, hier geht es um mein Kind. Das ist furchtbar. Ich bin dann auch aufgestanden und hingegangen und habe gefragt, was genau jetzt hier das Problem ist. Dann war da Ruhe. Vielleicht hätte ich mich dazusetzen sollen und ein Gespräch anfangen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass in einem Normalbürger, der selbst noch nie damit zu tun hatte, erstmal das Gehirn innerlich wie einen Kollaps erlebt, wenn du etwas auf der Straße siehst in einem Menschen, was für dich in deinem Gehirn nicht zusammenpasst. Wie war es für deine Tochter? Hat sie dir davon erzählen können, wie dieser erste Moment war, zu sagen, okay, ich folge jetzt diesem inneren Ruf und ziehe jetzt einfach Frauenkleider an?

Ja, also es ist schön, dass du das sagst mit dem unheimlich Mutigsein. Ich habe mit einer transidenten Frau gesprochen, und sie hat das auch immer gesagt bekommen, das ist so mutig, was du gemacht hast. Sie hat gesagt, es wäre viel mutiger gewesen, als Mann weiterzuleben, weil das ist, was wirklich schlimm ist und so viel Kraft braucht. In dem Moment, wo dann

klar ist und die ganze Umwelt wissen darf, wer eigentlich in einem steckt und man endlich der Mensch sein darf, der man ist, dann ist es gut.

Wie lange hat es gedauert, bis ihr realisiert habt, dass mit eurem Sohn etwas anders ist, bis zum Moment, wo wirklich klar war, das ist eine Frau?
Ungefähr ein Jahr. In dieser Zeit, oder besser dann nach dieser Zeit, als wirklich klar war, ja, Marie ist eine Frau und du, Kathrin, hast einfach eine Tochter geboren, wie ging es dann weiter für sie und auch für dich als Mutter?

Sie hat ganz viel alleine gemacht, und es war irre zu sehen, wie viel Kraft in meiner Tochter steckt. Gleichzeitig wollte ich ihr zeigen, dass ich an ihrer Seite bin und nicht nur die Hürden nehmen, die uns die Gesellschaft in den Weg legt, sondern ich wollte auch wirklich etwas bewegen. Ich wollte andere Menschen kennenlernen, die dieses Thema in ihrem Leben haben. Ich wollte nicht zu einer Selbsthilfegruppe, die gibt es auch. Ich denke, dass es sinnvoll ist, wenn man sich austauschen möchte und das mag, aber ich wollte nicht da sitzen und mit anderen Eltern zusammen sagen, es ist alles so furchtbar, was wir hier durchmachen. Ich wollte wirklich etwas bewegen. Und als Fotografin ist meine Sprache eben Bilder. Ich wollte Menschen kennenlernen, die dieses Thema auch in ihrem Leben haben und sie fotografieren. Es gibt Fotoprojekte, die sich damit auseinandersetzen. Gab es auch vorher schon. Und ich fand das immer sehr… Da wurde so auf diesen Exotenstatus abgehoben. Das wollte ich überhaupt nicht.

Das finde ich auch schön. Ich habe Bilder gesehen und kann jetzt schon mal sagen, dass wir auch ans Ende von diesem Video einen Trailer darüber reinhängen werden, über Marie, da freue ich mich sehr. Was für mich rüberkommt, ist einfach Normalität. Oder besser gesagt Natürlichkeit. Normalität mag ich nicht so, aber Natürlichkeit, ja. Würdest du sagen, dass deine Tochter jetzt, mit 26, voll darin angekommen ist?

Total. Sie hat im März geheiratet.
Wow, das ist cool. Mann oder Frau?
Mann. Wow, cool. Das freut mich. So schön, oder? Wir sind noch ganz dankbar.

Ich möchte gerne noch mal einen heiklen Punkt angehen. Ich glaube, im Gehirn eines normalen Menschen, der sich noch nie damit beschäftigt hat, kommt so etwas total schnell in die Schiene von, da ist etwas falsch, da ist etwas krank. Seitdem ich mich mit diesem Thema beschäftige, bin ich total erschrocken darüber, wie tief das geht. Eine richtig gute Freundin von mir hat sich jetzt gerade mit 25 bei ihren Eltern geoutet, dass sie Frauen liebt. Die erste Reaktion der Eltern war: Lass uns zum Arzt gehen, das kriegen wir noch hin. Darüber würde ich gerne sprechen, weil je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr merke ich, dass es nicht krank ist. Es ist einfach nur etwas, was wir lange Zeit aus unserem Schwarz-Weiß-Denken verdrängt haben.

Ja, genau. Es gibt auch Menschen, die sehr stark gläubig sind und sagen, das kann Gott nicht gewollt haben. Das finde ich am krassesten. Dann sage ich, wenn Gott das nicht gewollt hätte, dann gäbe es das auch gar nicht. Aber es ist nun mal da.

Wenn du jetzt deine Tochter siehst, wenn du jetzt mit ihr sprichst, wie ist dein Gefühl? 100%, ich rede mit einer Frau?
Ja, ich sehe… Ich habe auch vergessen, dass sie mal ein Junge war. Ich sehe das gar nicht mehr in ihr.

Gab es eine Zeit, wo andere Menschen aus eurer Familie euch Stress damit gemacht haben?
Gar nicht, es war ganz schön. Es gab schon Menschen, die ein Problem hatten, lange Zeit das Personalpronomen richtig zu verwenden. Es war immer „er“. Und wenn ich sagte, nee, es ist doch jetzt „sie“, dann kam „ja, lass mich doch, es ist schwer“. Und es ist ja auch schwer. Aber die Tatsache an sich, die war sofort da und klar und sehr unterstützend.

Wie sind die Geschwister damit umgegangen?
Der Mittlere, also eigentlich beide, beide ganz normal, es war kein Thema. Es war nicht: „Ah, was machst du denn da, das ist komisch.“ Nee, sie sind das einfach mitgegangen, weil es eben so ist. Sie haben das auch nie in Frage gestellt.

Was hat euch in dieser Zeit am meisten geholfen, da durchzugehen?
Die Unterstützung von Freunden und unsere enge Beziehung in der Familie, das war toll. Es war so schön zu sehen, wie offen Marie uns gegenüber war.

Das fühle ich auch richtig. Das ist ein schönes Feld gewesen. Wenn jetzt Menschen zuschauen, die nicht betroffen sind, aber bisher vielleicht, wenn sie draußen auf der Straße an solchen Menschen vorbeigelaufen sind, verächtlich gelächelt haben, dumme Witze gemacht haben oder sich etwas Blödes gedacht haben. Hast du eine Botschaft an sie als persönlich Betroffene?

Ja, das ist eine richtig gute Frage. Das blöde Denken, vielleicht muss das einfach mal sein, aber es sollte nicht in einem verächtlichen Lächeln münden. Und vor allem ist es wichtig zu verstehen, dass diese Menschen sich nicht dadurch auszeichnen, dass sie transident sind, sondern sie sind Menschen. Das wollte ich in dem Fotoprojekt zeigen, dass es um Menschen geht. Diese Menschen sind verheiratet oder allein lebend, haben Haustiere oder nicht, haben studiert oder sind arbeitslos oder was auch immer. Sie haben Themen im Leben genau wie wir. Eine Frau sagte ganz schön, wenn sie in einem Gespräch ist, wird sie ganz schnell auf Transidentität reduziert, aber das ist für sie nicht zielführend. Natürlich kann man fragen und es ansprechen, wenn man schon ein normales Gespräch hat und dieser Mensch von sich aus Transidentität ins Gespräch gebracht hat. Vorher nicht, das ist unglücklich. Das habe ich selber erfahren, obwohl ich dachte, mir passieren solche Sachen nicht. Aber ich war ja auf der Suche nach Menschen, die ich porträtieren kann für das Projekt. Dann war ich in einem Laden, wo ich häufiger einkaufe, und da ist eine wunderschöne Frau, und ich, die ich das Thema kenne, habe gesehen, das mag wohl sein, dass da mal ein bisschen Mann war. Auf jeden Fall hatte ich meine Visitenkarte dabei und bin dann zu ihr hin. Sie hat erst mal geschluckt und meinte, das ist jetzt aber schade, weil ja, natürlich, sie will ja nicht erkannt werden als transidenter Mensch, sondern sie will gesehen werden als Frau, und das verstehe ich. Sie hat sich dann bereit erklärt und wir hatten ein super schönes Gespräch, und das hat mir dann auch geholfen und mir die Augen geöffnet, dass, obwohl ich versuche, so sensibel mit dem Thema zu sein, mir solche Sachen halt auch passieren.

Was sind so die Standard-Fettnäpfchen? Ich werde da von meiner Tochter auch immer wieder darauf hingewiesen und ich finde es krass, wie schnell man da reintritt, einfach weil man sich auch wirklich nie damit beschäftigt hat. Worauf sollte man achten?

Auf richtige Personalpronomen, ganz wichtig. Dann nicht fragen: „Wie war denn dein Leben als Mann?“ oder „Wie war denn dein Leben als Frau?“ Kannst du fragen: „Wie geht’s dir? Wie fühlst du dich?“ Also eigentlich in einem Gespräch ganz normal unterhalten, wie du es mit jedem Menschen machen würdest. Ein Fettnäpfchen ist wirklich, sich auf diese Transidentität zu konzentrieren und nicht „transsexuell“ sagen.

Magst du kurz für die Laien unter uns den Unterschied noch mal erklären?
Ja, es ist tatsächlich schwierig. Wir haben am Anfang „transsexuell“ geschrieben, weil das Gesetz „Transsexuellengesetz“ heißt, wie ich jetzt gelernt habe. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, warum transidente Menschen diesen Begriff nicht mögen. Es ist, weil dieses Thema eben mit der Sexualität nichts zu tun hat. Es gibt auch gleichgeschlechtlich liebende unter transidenten Menschen. Wenn du „transsexuell“ sagst, dann macht man ja automatisch im Kopf diesen Gedanken an Sex auf, aber darum geht es ja nicht, es geht um die Identität.

Für Menschen, die das gerade sehen und die vielleicht gerade selbst in diesem Prozess des Erwachens mit ihrem eigenen Kind sind, oder die jetzt vielleicht gerade während sie uns zuhören denken, oh mein Gott, könnte es sein, hast du aus deiner Erfahrung als Mutter Ratschläge?

Erstens kommt es darauf an, wie alt das Kind ist. Es gibt Kinder, die mit fünf schon wissen, dass sie im falschen Körper sind. Nicht unterdrücken, das Kind nicht in Frage stellen, an seiner Seite sein, den Weg mitgehen, begleiten, da sein. Selbst wenn du als Vater oder Mutter vielleicht im Hinterkopf die Idee hast, das legt sich vielleicht, das ist nur ein Spleen, trotzdem, wenn so ein starkes Zeichen vom Kind kommt, da sein.

Auf jeden Fall, ja. Ich bin der Überzeugung, dass diese Sachen aus den Menschen selber herauskommen. Wenn es kein kleines Kind ist, dann darfst du als Eltern reagieren oder agieren. Wenn es sich um einen erwachsenen Menschen handelt, dann glaube ich, brauchst du als Eltern nur noch da zu sein.

Mich macht das gerade voll happy. Ich muss unbedingt Bilder von ihr sehen, von ihr und ihrem Mann. Die blenden wir auf jeden Fall danach ein. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich gerade so, als wäre das schon meine eigene Familie.

Weil ich das Thema für so wertvoll halte und wir gerade eine große Öffentlichkeit haben, gibt

es von deiner Seite etwas, das du gerne teilen möchtest?
Ja, also sich bewusst machen, dass, wenn wir mit Andersartigkeit konfrontiert sind, dieser in unseren Augen andersartige Mensch ein Mensch ist. Wenn wir komisch gucken, dann macht das etwas mit dem Menschen. Das möchte ich gerne mitgeben.

Das ist schön. Dein Projekt, darüber habe ich ja ursprünglich auch erfahren, weil du darüber geschrieben hast. Ich finde es super cool, dass du sozusagen in die Offensive gegangen bist. Magst du darüber kurz erzählen?
Ja, danke. Es war so, dass ich Marie vorgeschlagen hatte, ein Fotoprojekt daraus zu machen. Sie meinte, Mama, das ist eine super Idee. Ich durfte sie dann auch fotografieren. Ich wollte nicht nackte Menschen fotografieren und zeigen, wie der Körper vor und nach der OP aussieht. Darum ging es mir überhaupt nicht, sondern um den Menschen dahinter. Ich wollte nicht nur fotografieren, sondern auch darüber schreiben, weil mir klar war, Fotos können etwas zeigen, aber die Geschichte dahinter fehlt dann. Meine Tochter sagte dann, ja, Mama, können wir machen? Dann habe ich das auf meinem normalen Fotografie-Blog gepostet. Sie sagte, Mama, doofe Idee, deine Kunden werden verloren gehen. Das war aber nicht so. Ich habe es gepostet, damit sie dann diesen Link nehmen kann und posten kann, dass ich Menschen suche mit dem Thema, die ich fotografieren kann und die sich fotografieren lassen möchten. Dann hat meine Inbox explodiert. Es haben sich so viele Menschen gemeldet. Wenn das jetzt hier jemand von euch hört, danke, es ist so toll, danke für dieses Vertrauen. Weil dann hingehen zu dürfen und die Geschichten zu hören und sie fotografieren zu dürfen, war wunderschön, tief und erzählend. Ich bin nie mit vorgefertigten Fragen hingegangen, sondern habe gesagt, erzähl mir was aus deinem Leben. Es geht darum, was machst du und was bewegt dich? Bei manchen Menschen stand die Transidentität im Vordergrund, bei anderen überhaupt nicht. Ich habe dann immer kleine Sachen mitbringen lassen, die ihnen etwas bedeuten, die habe ich dann fotografiert, um zu zeigen, dass sie Menschen sind. Daraus ist eine richtige Ausstellung entstanden. Erstmal eine Website, auf der die ganzen Porträts zu sehen waren. Ich wurde dann nach Potsdam zu einem transidenten Stammtisch eingeladen von einer Psychologin, die den geleitet hat. Da saß ich dann und unterhielt mich mit den Leuten, und auf einmal saß ein junger Mann neben mir und meinte, ich möchte eine Ausstellung mit dir machen. Super, bin ich dabei. Davon hatte ich geträumt, aber dass das so schnell passiert, war überwältigend. Dann hat er eine kleine Ausstellung zusammengestellt und die ist dann auf Tour gegangen. Wir haben angefangen in Potsdam, dann waren wir in Hamburg in kleinen Räumen, und dann wurde es größer und wir waren in Kirchen. Das fand ich ganz schön. Dann entstand eine zweite Wanderausstellung mit einem anderen Kurator, der zeigt die Ausstellung in Seniorenheimen in München, ganz großformatig. Die Menschen sitzen dann da. Ich hatte eine wunderschöne Begegnung. Ich war zu einem Künstlergespräch eingeladen und dann kam ein alter Herr danach zu mir mit seiner Frau im Rollstuhl und meinte, er möchte sich bedanken. Jetzt endlich versteht er seinen Enkel, der mal seine Enkelin war. Da hätte ich fast geweint. Wunderschön. Solche Momente wollte ich gar nicht. Ich wollte Menschen die Augen öffnen und zeigen. Beschäftigt euch einfach mit dem Thema und das ist so schön.

Und die Ausstellung ist noch zu sehen?
Im Moment war sie gerade in Wiesbaden im Rathaus, eine kleine Ausstellung, und eine richtig große in Hamburg, die war leider nur bis letzte Woche. Aber wir sind auf Wanderschaft. Ich poste das immer auf meiner Website, da kann man das dann sehen. Wir packen auf jeden Fall die Links darunter. Für alle, die das jetzt gerade auf YouTube sehen, wir packen einen richtig schönen Film gleich noch dahinter. Alle, die das gerade auf iTunes hören, bitte ich einfach, wenn ihr Lust habt, auf YouTube vorbeizuschauen, dann könnt ihr euch auch den Film anschauen.

Was mich am meisten bei mir hängen bleibt, ist, dass es dem Menschen… Mir wird gerade bewusst, wie schnell wir einhaken in einem Merkmal, weil es für uns nicht passt, weil es nicht in unseren Kontext passt. Wahrscheinlich ist es auch deswegen so, dass mich die Heirat so berührt hat. Erzähl doch mal, wie es Marie gerade geht und was sie so macht.
Es geht ihr richtig gut. Sie macht gerade ein duales Studium und das war lange Zeit auch nicht klar, ob sie das schaffen wird, weil mit diesem Thema im Kopf kann man sich auf kaum etwas anderes konzentrieren. Sie ist richtig gut angekommen und hat ihren Liebsten an ihrer Seite, den wir auch wahnsinnig gerne mögen. Wir waren gerade zusammen im Urlaub und ja, es ist richtig, richtig schön.

Kathrin, ich bedanke mich ganz, ganz herzlich, dass du hier warst. Ich habe das Gefühl, es war nicht das letzte Mal. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fotoausstellung, wir werden es auch posten, sobald es wieder eine gibt. Und alle, die das gerade gesehen haben, ihr könnt unter dem Video hier bzw. auf dem Post die Links dazu finden. Bitte richte Marie ganz liebe Grüße von uns aus. Danke, dass wir so offen über euch beide sprechen durften.

Vielen Dank für das Gespräch.
Cool. Danke, dass ihr zugeschaut habt. Bis zum nächsten Mal. Ciao.

Das war eine Folge aus dem Podcast „Seelengevögelt – für die Rebellen des Geistes“. Danke fürs Zuhören. Wenn dir die Folge gefallen hat, dann bewerte sie gerne und abonniere den Podcast. So bleibst du immer auf dem Laufenden und verpasst nichts. Wir freuen uns auf dich und danken dir, dass du dabei bist.

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