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Eros und Logos | Vom Kampf, Tanz und der Zukunft der Geschlechter | Folge 223

Beim folgenden Text handelt es sich um automatisch generierte Zeilen des von Veit Lindau eingesprochenen Podcasts. Diese wurden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz korrigiert, sodass sie weitgehend korrekt sind. Für etwaige Fehler entschuldigen wir uns. Den Originalpodcast kannst du über die untere Player-Leiste hören.

Eros und Logos | Vom Kampf, Tanz und der Zukunft der Geschlechter | Folge 223

Beim folgenden Text handelt es sich um automatisch generierte Zeilen des von Veit Lindau eingesprochenen Podcasts. Diese wurden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz korrigiert, sodass sie weitgehend korrekt sind. Für etwaige Fehler entschuldigen wir uns.

Hey, liebe Leute, ich wünsche euch einen wunderschönen Tag! Hier ist Veit mit einer weiteren Episode meines Podcasts „Seelengevögelt“ für die Rebellen und Rebellinnen des Geistes. Heute gibt es ausnahmsweise ein Interview mit mir.

Vor Kurzem habe ich eine Anfrage von Nikol Svidler bekommen, einer bekannten Filmemacherin. Ich musste sofort zusagen, weil ich mit Nikol bereits einige Projekte durchgeführt habe, zum Beispiel einen wirklich schönen Film über die Kraft der Liebe. Ich weiß einfach, dass sie tolle Fragen stellt. Deswegen bin ich sehr, sehr gerne in ihr Interview gekommen. Daraus ist, wie ich persönlich finde, eine wunderschöne Liebeserklärung an Eros und Logos geworden, eine Beschreibung der Kämpfe, die diese beiden Kräfte in jedem von uns hinter sich haben, aber vor allem über das Potenzial dieser Kräfte in dir, über die Möglichkeit eines wirklich kreativen Quantensprungs eines jeden Menschen und unserer Beziehung.

Ich hoffe sehr, dass dich dieses Interview berührt und inspiriert, dass es dir hilft, dich und deine Beziehung tiefer zu verstehen und dass es dir vor allem Lust macht, dich zu befreien, das Wunder in dir zu feiern und deine Beziehung auf ein völlig neues Level zu heben.

Ich wünsche dir viel Freude beim Hören, spannende Erkenntnisse und vor allem den Mut zur Umsetzung.

Mit deinem Buch hast du nicht nur einen Vorgriff gewagt in eine Welt, die uns alle gerade sehr zu schaffen macht und erschreckt, sondern du gibst da eine unglaublich spannende und außergewöhnliche Vision, wie man da rauskommt. Der Anfang von all dem war ein sehr machtvoller Albtraum. Das fand ich jetzt erstmal sehr spannend. Was für ein Albtraum ist dir begegnet, der Anlass für das Buch war?

Ja, also das ist tatsächlich nicht einfach nur so eine Geschichte, sondern es ist wirklich so passiert. Ich träume generell sehr intensiv und habe so zwei verschiedene Arten von Träumen, die ich auch ganz gut unterscheiden kann. Es gibt die, ich sag mal, ego-psychologischen Träume, die viel mit mir, mit meinem Lernen zu tun haben, und dann gibt es archetypische kollektive Träume. Und das war definitiv einer davon. Und du bist ja Filmemacherin. Ich wünschte, ich könnte diesen Traum, den ich da gesehen habe, wirklich ins Visuelle transferieren, weil ich glaube, dass ihn so gut wie jeder Mensch verstehen würde. In diesem Traum habe ich gesehen, dass die Erde brennt. Ich habe Wälder brennen gesehen. Das Spannende war, dass kurz nach dem Traum das Brennen im Amazonas und auch in Australien losging. Ich habe aber auch gesehen, dass diese Brände überall stattfinden – in unseren Familien, in diesen Kleinkriegen zwischen Mann und Frau, in unserem Beziehungs- und Erziehungssystem, dieses Ausgebranntsein von Menschen und die Ausgebranntheit unserer Natur. Die ganze Erde hat gebrannt. Es war schwierig im Nachhinein zu benennen, ob das wirklich eine Stimme war oder ob ich es bildhaft erklärt bekommen habe. Aber es war wie eine Stimme, die zu mir sagte: „Die Erde brennt, weil der weibliche Thron nicht besetzt ist. Die Königin ist ins Exil gegangen.“ Ich habe in diesem Traum gesehen – und dafür liebe ich diese kollektiven Träume, weil sie das auf so einer nonverbalen Ebene so klar machen –, dass wir über viele, viele Tausend Jahre diese machtvollen weiblichen Qualitäten, die enorm machtvoll sind, wirklich ins Exil geschickt haben. Sie sind natürlich da, aber sie führen ein absolutes Nischendasein. Viele Frauen, die in Kontakt sind mit diesen weiblichen Qualitäten, stehen wie auf einsamer Flur und halten die Fahne hoch. Egal ob es ein Unternehmen ist, Spiritualität oder die Politik – sie versuchen, diesen Raum frei zu halten, aber er ist viel zu eng, viel zu klein.

Ich bin wach geworden, schweißgebadet, zutiefst ergriffen und habe, wie ich es gerne mache, noch im Halbschlaf einfach gefragt: „Okay, was ist die Message?“ Und die Message damals war: „Gehe raus und lade die Frauen ein, diesen Thron wieder einzunehmen.“ Ich bin dann wirklich ein paar Wochen damit schwanger gegangen, weil ich das als ein sehr heikles Unterfangen empfinde, als Mann rauszugehen und zu sagen: „Die Frauen müssen das tun.“ Ich hatte damals das Gefühl, ich könnte eigentlich nur missverstanden werden, aber die Stimme war einfach total klar. Und so ist das Wahnsinn. 

Du sagst auch, der König pennt. Also, was ist da das Wechselspiel, dass die Königin nicht auf dem Thron ist und der König eingeschlafen ist?

Ja, das ist natürlich für das männliche Ego, glaube ich, ein hartes Bild. Übrigens, liebe Männer, alle Männer, die das sehen oder hören, ich wünsche mir wirklich von jedem einzelnen Mann ein Feedback dazu. Selbst wenn du sagst: „Alter, du bist bescheuert, ich sehe es ganz anders.“ Aber ich wünsche mir mehr Männer in dieser Diskussion. Für mich hat dieses „Pennen“ nichts mit Inaktivität zu tun. Männer sind ja eher hyperaktiv gewesen in diesen 10.000 Jahren. Wir haben Schlachten geführt, unglaublich viel erfunden, Türme und Wolkenkratzer gebaut. Aber pennen in der Frage: Worum geht es denn eigentlich? Männer sind fähig, ein gesamtes Leben lang ihren Arsch aufzureißen für irgendwelche Ziele, um am Ende festzustellen, das bin gar nicht ich gewesen, das hat meine Seele gar nicht erfüllt. Und aus meiner Sicht ist es so, dass unser Thron, der männliche Thron, der Thron des Königs seit 4.000 Jahren tatsächlich besetzt ist von Männern, aber missbraucht wird. Und missbraucht wird, weil wir noch gar nicht verstanden haben, was ein wirklicher König ist. Wir sind Tyrannen gewesen, aber keine Könige. 

Was ist der Unterschied zwischen einem Tyrannen und einem König?

Ein Tyrann ist für mich jemand, der eine Macht, die ihm eigentlich natürlicherweise gar nicht zusteht, missbraucht, um zu herrschen. Er ist egozentriert und es geht ihm um sich. Ein König oder auch eine Königin – und das fand ich ganz spannend, ich habe mich dann ganz viel mit diesen Archetypen beschäftigt – sitzen eigentlich gar nicht auf dem Thron, sondern stehen tatsächlich am untersten Ende. Das heißt, sie tragen das ganze System. Ein wirklicher König dient und hütet. Er sitzt vielleicht manchmal optisch auf dem Thron, aber vor allem dient er dem gesamten System. Ein Tyrann beutet das System aus.

Das finde ich total spannend und da sollten wir später nochmal darauf zurückkommen, was die Eigenschaften des Königs sind und ihm da im Weg stehen, obwohl er sich damit so viel bereichern könnte, wenn er diese Königseigenschaften für sich auch wieder richtig erobern könnte. Aber ich finde es jetzt erstmal ganz wichtig, ich habe „GENESIs“ wirklich wahrgenommen als eine transformative Kraft. Das ist kein Bashing auf männlich oder weiblich, sondern du machst von Anfang an klar, dass es hier um zwei Prinzipien geht, die wir alle, entweder als Mann oder als Frau, beide in uns drin haben. Und das finde ich jetzt mal ganz wichtig, überhaupt dort einzudringen. Es geht um Eros und Logos, zwei Grundfeuer, zwei Grunddynamiken. Was meinst du damit und wie spielen die eigentlich in Männern wie Frauen grundsätzlich eine dynamische Runde?

Also, erstmal ist ja völlig klar, dass wir uns total verrannt haben in diesen Geschlechterdiskussionen. Egal, ob es die alte Variante ist, dass ein Mann so und eine Frau so zu sein hat, oder die neue, die das total negiert und versucht, das gleichzubügeln. Ich glaube, eine Möglichkeit, sich dem konstruktiv zu nähern, ist, von dem Punkt zu kommen, dass es einfach definitiv zwei archetypische Kräfte gibt, die wirken. Und nochmal, das ist nicht einfach eine Idee, die ich mir ausgedacht habe, sondern das kann jeder absolut nachvollziehen. Es gibt einfach Qualitäten, die würden, glaube ich, 99 Prozent aller Menschen mit weiblich bezeichnen – zum Beispiel empfangend, weich, dienend, nährend, aber auch erschaffend im Sinne von wirklich erzeugend, sich vermehrend dadurch, dass du Dinge teilst, großzügig etc. Und es gibt ganz klar eindeutig männliche Qualitäten, die damit zu tun haben, linear vorwärts zu dringen in dieses Universum, zu erobern, Grenzen zu erweitern, Hierarchien aufzubauen.

Wir kommen nicht weiter, wenn wir beide versuchen, gegeneinander auszuspielen, sondern nur, wenn wir den Wert beider Kräfte erkennen und auch erkennen, dass sie sich wirklich brauchen. Also Eros, das ist für mich sozusagen der Überbegriff all dieser weiblichen Qualitäten, braucht Logos, weil sonst wird Eros eine Art Sumpf, eine Art unbewusster Einheit, die jegliche Entwicklung total stagnieren lässt. Logos wiederum braucht Eros als Balance, um sich an die Einheit überhaupt zu erinnern und nicht wie eine wild gewordene Rakete durchs Universum zu flitzen, wie es viele Männer machen, ohne Bodenhaftung. Auch als Erinnerung daran, dass es ein „Wir“ gibt und dass es nicht darum geht, einfach nur, ich sage es mal, mit senkrecht ausgerichtetem Penis durch die Gegend zu rennen, Löcher ins Universum zu bohren und sich im Ego einen runterzuholen, sondern zu verstehen, dass alles, was wir tun, Einfluss auf alles hat.

Diese Qualitäten sind in jedem von uns angelegt. Und das Spannende ist, dass wir durch die Gesellschaftsstrukturen, in die wir hineingeboren wurden, und durch die Gesellschaftsstrukturen der letzten paar Tausend Jahre total gehirngewaschen worden sind. Ich identifiziere mich als Mann natürlicherweise mit ganz bestimmten männlichen Qualitäten. Witzigerweise habe ich als Mann sogar Angst, ich könnte etwas von meiner Männlichkeit verlieren, wenn ich anfange, weibliche Qualitäten zu integrieren, was der helle Wahnsinn ist. Männer bleiben an ganz vielen Stellen auf der Strecke, eben weil sie keine weiblichen Qualitäten integrieren. Sie rennen sich einen runter, sterben eher, bekommen Herzinfarkte. Es hat alles etwas mit mangelnder Selbstfürsorge zu tun. Das überhaupt erst mal zu erkennen und dann zu sagen: „Okay, ich sprenge mal auf eine sanfte, aber radikale Weise die Vorstellung von mir selbst und komme einfach mal von dem Punkt, ich habe das Recht, egal wie alt ich bin, diese Qualität neu in mir zu mischen.“ Und dann wird es unglaublich sexy.

Ich stehe einfach auf Kreativität und ich kann nur sagen, ich stehe zum Beispiel auch wirklich auf Leistung und Potenz. Ich bin ja niemand, der lange auf der Couch liegt. Und ich kann einfach sagen, seitdem ich als Mann mit diesen beiden Kräften in mir experimentiere, ist es nicht so, dass ich schlaff werde. Im Gegenteil, dieser Eros in mir nährt meinen Logos. Sie fordern sich gegenseitig auf eine richtig coole Weise heraus. Jedes Mal, wenn ich darüber rede, bekomme ich Gänsehaut, weil ich denke, wir haben ja noch nicht mal im Ansatz begriffen, wie schön wir sind. Jeder Einzelne von uns, wie einzigartig schön wir sind und was in unseren Beziehungen abgehen kann, wenn Männer und Frauen beide Kräfte voll ausspielen.

Du sagst in diesem ersten Bild, das im Albtraum erschienen ist, dass wir in dieser Katastrophe unter anderem deswegen gelandet sind, weil es einfach eine Übermacht des Logos-Prinzips, des männlichen Prinzips gibt, die vieles in die zerstörerische Ebene geschoben hat. Und dass das seit vielen, vielen Jahrtausenden im Grunde die Urwunde ist, die uns an diesen Punkt gebracht hat. Es geht um die Geschichte des Patriarchats, das ist eine Geschichte, die, glaube ich, nicht nur Frauen, sondern vor allem der Menschheit geschadet hat und in eine Sackgasse geführt hat.

Wir wollen es mal nicht verteufeln, weil der Punkt ist, dass es eine Zeit lang auch ein Erfolgsmodell war. Lass uns das Patriarchat als Ursprung für dieses ganze Problem der Spaltung zwischen Eros und Logos und überhaupt für die Situation, in der wir uns befinden, beleuchten.

Ich muss dazu sagen, ich bin ein absoluter Fan der Evolution. Was ich damit meine, ist, dass ich zutiefst daran glaube, dass Evolution eine Richtung hat. Ich glaube zutiefst daran, dass diese Richtung gut und schön ist. Und deswegen kann ich Fehler, die passiert sind, niemals als ultimative Fehler sehen, sondern als Experimente eines Bewusstseins, das erwacht und dabei gar nicht anders kann, als sich Modelle und Lösungen auszudenken. Irgendwann sind diese Lösungen begrenzt und dann müssen wir sie überarbeiten. Ich bin kein Freund davon zu sagen: „Oh Gott, das war eine Riesenkatastrophe.“ Es hat Riesenkatastrophen angerichtet, aber es war erst einmal ein unglaublich spannendes Experiment.

Das kann natürlich jetzt viele Frauen, die das hören, triggern. Das verstehe ich total. Mir ist es zum Beispiel sehr wichtig, in dem Buch noch mal sehr, sehr deutlich aufzuzeigen, wie sehr Frauen unter diesem Modell gelitten haben und immer noch leiden, auch in unserer Gesellschaft. Aber eben auch Männer. Männer haben einen extrem hohen Preis bezahlt und das Traurige ist, dass ihnen das nicht mal klar ist. Frauen haben, was das betrifft, einen enormen Emanzipationsvorsprung. Sie wissen, dass es Mist war, sie wissen, dass da was fehlt und wollen daraus lernen. Männer denken ja immer noch größtenteils, sie würden etwas verlieren, wenn das Ding abgestellt wird.

Um ein passendes Bild zu bringen: Andrea und ich sind jetzt seit 28 Jahren zusammen und wir haben in der Zeit so oft in der Form unserer Beziehung etwas verändert und neu ausprobiert. Es geht ja gar nicht anders. Du probierst Sachen aus, dann hängst du einfach fest und merkst: „Nee, das war es jetzt nicht.“ Dann korrigierst du und veränderst etwas. Das ist das, was ich mir wünsche: dass wir alle an einen Tisch kommen und nochmal richtig intensiv den Kopf in die Scheiße stecken und bis dahin, dass uns übel wird. Ich behaupte jetzt einfach mal, selbst vielen Frauen ist heutzutage nicht klar, wie sehr sie strukturell, emotional, seelisch, archetypisch, kollektiv verwundet wurden. Männern definitiv nicht. Wir brauchen auch diese Antriebskraft des Schmerzes, dieses „Boah, was hat uns das gekostet“, um dann die Veränderung und die Wege zu leiten. Aber nicht im Sinne von: „Das war jetzt alles total falsch“, sondern: „Hey, ich sage jetzt mal, das war der erste Turn, lass es uns jetzt in der nächsten Runde eine ganze Ecke besser machen.“

Ich finde Schmerz und vor allem dann irgendwann auch Wut. Das ist der Punkt, wenn wir uns nicht – ich sage mal, ich als Frau erhebe mich nicht wütend über das, was uns im Kern teilweise durch die patriarchischen Strukturen, die bis heute stark gelten, wo viele Privilegien immer noch männlich logosmäßig definiert sind. Wenn wir uns dagegen nicht wütend erheben und sagen: „Wir nehmen unseren Platz ein“, wird das schwierig. Aber Wut ist ein großes Thema, speziell auch für Frauen, aber auch in der männlichen Welt als Aggression missverständlich. Da sind wir schon mitten im Thema. Du sagst, du hast drei Anliegen mit deinem Buch, die dir ganz wichtig sind. Und ich möchte ganz gerne, bevor wir noch mal stärker einsteigen in das, was wir frei erobern wollen bei Eros und Logos, auf das Thema eingehen, dass wir alle vergessen haben, was für Wunder wir sind.

Und wenn wir das nicht als Basis haben für alles, worüber wir danach reden, dann kommt das auf so eine schiefe Bahn. Was meinst du damit?

Das Buch ist in gewisser Weise – du kennst mich ja auch – ein Outing von mir. Weil ich über viele Jahre meine spirituelle Ebene und auch meine Arbeit so ein Stück zurückgehalten habe, weil ich immer die Idee hatte, ich will vom Mainstream nicht falsch verstanden werden. Bei dem Buch habe ich gemerkt, das wäre unfair und unehrlich dem Leser gegenüber, diese Ebene nicht mit reinzubringen. Ohne diese Ebene ist das Buch aus meiner Sicht nicht wirklich zu verstehen. Für mich persönlich ist diese Ebene ein so tiefer Quell von Heilung und Hoffnung, dass ich gedacht habe: „Alter, du bist jetzt über 50. Fuck, was die Leute denken. Hau einfach alles raus, was du hast.“ Dann soll sich jeder ein Bild machen.

Deswegen ist mir am Anfang des Buches auch ganz wichtig, sehr genau zu differenzieren zwischen Religion, Spiritualität und Esoterik. Ich bin weder Esoteriker noch gehöre ich einer Religion an. Aber ich glaube zutiefst daran, dass Mystik im Sinne von Staunen über deine Existenz, immer wieder neue Fragen zu stellen „Wer bin ich wirklich?“, ohne mystische Erfahrungen dieses Leben extrem schwer zu ertragen ist. Das ist zu ertragen, aber es wird nüchtern und kalt und ein Stück zynisch. Man kann den alten Religionen viel vorwerfen und ich mache das ja auch zum Teil im Buch. Aber eins haben sie den Menschen geboten: einen Raum zum Staunen und eine Möglichkeit, sich als ein Wunder der Schöpfung zu begreifen.

Die Aufklärung in ihrem redlichen Anspruch, jeglichen Aberglauben zu eliminieren, hat uns reduziert auf Atome und Biochemie. Und das stimmt einfach nicht. Punkt. Ich stehe total auf Neurowissenschaft und Biochemie, aber es gibt Aspekte in meinem Leben, die kann mir kein Wissenschaftler erklären. Du sagst das immer so schön mit dem Fleischklöpschen. Wir sind nicht nur das Fleischklöpschen. Und der Witz ist, wenn ich mit Wissenschaftlern zusammensitze, erst sind sie skeptisch und dann sprechen wir über bestimmte Erfahrungen, die auch sie gemacht haben in Meditationen. Es ist eigentlich jedem irgendwie klar, es gibt eine Ebene, da sind wir permanent unwissend. Aber das ist auch eine schöne Ebene, weil auf dieser Ebene können wir staunen. Da können wir morgen ins Spiel schauen und denken: „Was ist das für ein Ding, das mir hier mit den Augen entgegenblitzt?“

Für mich persönlich ist es so: Ich war unglaublich lange am Hadern und bin es manchmal immer noch mit meiner eigenen langsamen Lern- und Veränderungsgeschwindigkeit. Wenn du das sagst, finde ich das sehr amüsant. Wirklich, wirklich. Guck mal, ich schreibe Bücher, ich coache, ich trainiere. Wenn ich da manchmal sehe, wie viel Zeit ich brauche, dann denke ich manchmal: „Ey, wenn wir so weitermachen, haben wir keine Chance.“ Aber warum ich das sage, ist: Mir hilft diese Ebene des Wunderns und Staunens. Erstens regt das immense Transformation an, Veränderung geschieht einfach schneller in diesem Raum. Und ich kann persönlich mit meinen Fehlern umgehen. Das sind dann so ein bisschen wie kleine Kratzer an einem Wunder der Schöpfung. Da schaut man dann auch mal drüber hinweg. Und das wünsche ich mir einfach mehr, auch in unseren Beziehungen. Guck mal, was ist das für ein abgefahrenes Ding, wenn ein Mann und eine Frau zusammenkommen und ein Kind zeugen? Spätestens ab da brauchst du keine Drogen mehr zu nehmen oder kein LSD. Das ist einfach so. Und wie schnell verkommt das dann zu irgendeinem Alltag, in dem man sich aneinander reibt, anstatt einfach jeden Morgen aufzustehen und zu sagen: „Ich lebe mit einem echten Genie zusammen.“

Das wünsche ich mir mehr. Wenn ich zum Beispiel Talkshows über Mann-Frau-Problematiken, Feminismus etc. sehe, ist das Ganze für mich viel zu trocken, viel zu öde, viel zu verbissen, viel zu vorwurfsvoll. Da lernt doch niemand wirklich gern.

Das fand ich wirklich auch ein Genies. Es ist unglaublich schön. Das ist permanent so eine Erinnerung an diese schöpferischen Qualitäten, die wir haben. Und das gibt einem so eine Power, weil man einfach spürt, du kannst zu jedem Zeitpunkt schnipsen und es kann sich ein evolutionärer Sprung in dir und damit auch in all deiner Umgebung ergeben. Das hast du wirklich unglaublich toll in dem Buch auch entfacht. Ich glaube, das ist auch ganz wichtig, dass wir uns mal ein paar Paradigmen crashen zusammen.

Cool. I like, I like. Ich schlachte gerne Paradigmen.

Paradigmen wie z.B. Zeit. Um in unsere Wunderqualität zu kommen: Ist das eigentlich alles Quatsch mit Zeit?

Naja, also ich sage mal so: Dadurch, dass wir uns über viele Jahre auf dieses Linearzeit-Konzept geeinigt haben, brauchen wir das. Genauso wie wir im Augenblick Straßen oder Gesetze brauchen, macht es also Sinn. So haben wir uns jetzt auch gefunden in dem Interview, dadurch, dass wir auf die Zeit geachtet haben. Aber das Interessante ist, wann immer man mal so ein Paradigma anbohrt, stellt man fest: Die Wissenschaft ist schon viel weiter. Jeder Physiker, der sich mit Zeit beschäftigt, wird dir sagen: Zeit, so wie wir sie erfahren, ist eine Illusion. Und jetzt könnte man sagen: „Naja, warum soll das ein Problem sein?“ Das Problem ist, dass ganz, ganz viele von unseren Verhaltensgewohnheiten, die Art und Weise, wie wir durchs Leben hetzen, uns Ziele setzen, permanent in der Zukunft oder in der Vergangenheit sind, auf diesem Zeitparadigma aufbauen. Und das Interessante an Veränderung ist, dass sie viel schneller und tatsächlich ganz häufig in Form von Quantensprüngen stattfindet, wenn wir dieses Zeitparadigma verlassen und in der Gegenwart ankommen.

Ich bin absolut überzeugt davon, schreibe ich auch im Buch, und mir ist es mittlerweile egal, ob mich Leute für verrückt halten, dass wir noch Zeiten erleben werden, in denen Menschen völlig selbstverständlich davon ausgehen, dass das, was wir als Zukunft betrachten, jetzt bereits in verschiedenen Optionen existiert und dass wir die Möglichkeit haben, mit unserem Bewusstsein in diese Zukunft zu reisen, uns dort beraten zu lassen und von dort aus, also quasi nicht aus der Vergangenheit heraus, wie wir es jetzt machen, sondern aus der Zukunft heraus das zu planen, was wir jetzt machen wollen. Das törnt mich total an. In unserer Arbeit forschen wir schon seit fünf Jahren intensiv mit Meditationen etc. Und ich sehe einfach, wie das Leute kreativ macht. Wenn ich meine Ehe immer nur auf der Basis dessen plane, was ich in den letzten 20 Jahren mit meinem Schatz erlebt habe, dann kommt morgen eine Kopie davon heraus. Es geht gar nicht anders.

Ich finde das so irre ermutigend, weil wir dann einfach auch wissen: Das kann das Ganze so wahnsinnig beschleunigen und ich glaube, viele Menschen, die so ein bisschen Sorge haben, wir können die Welt gar nicht mehr retten, für die ist es echt erst mal ein ganz großer Punkt, sich darauf einzulassen. Nein, das gibt es nicht. In dem Moment, wo wir uns ändern, kann das Ganze an einen Tipping Point kommen und sich ganz schnell bewegen. Das ist ein ganz wichtiger Augenöffner, den du da im Buch „Wir sind das Wunder, wir sind die Genesis“ eröffnest. Individuelle Veränderung ist nicht einfach nur deine Änderung, sondern was macht es, was ist die Chance dahinter? Das Tolle an unserer Zeit ist ja, dass du, wenn du ein bisschen recherchierst, total schnell Beispiele findest von einzelnen Menschen, die eigentlich erst mal gar keine Power hatten, jung waren – nehmen wir mal Malala oder Greta Thunberg –, kein Geld hatten und aber einen irren Impact in dieser Welt hatten. Wenn wir uns das mal näher anschauen, dann wird etwas klar, was schon immer so gewesen ist, nur jetzt können wir es einfach sehen, weil die Informationen uns zur Verfügung stehen. Jeder Einzelne von uns webt an dem Mythos der Menschheit.

Das ist so ein Thema, da könnte ich irre werden. Leute verstehen manchmal nicht, warum ich von Gesprächen aufstehe und denke, ich bin unhöflich, aber ich will nicht mehr bei einem Gespräch dabei sein, das einfach nur Vergangenheit wiederholt. Ich will nicht dabei sein in einem Gespräch, wo einfach nur gemäkelt wird über einen Umstand, weil ich weiß – und das ist keine Idee, sondern ich weiß – dass jedes einzelne Gespräch Realität erschafft. Und ich kann in jedem einzelnen Gespräch einen goldenen, silbernen Faden in den Teppich der Menschheit einweben, indem ich Hoffnung und Licht reinbringe, oder ich nehme wieder so einen alten scheißgrauen Faden, suche mir Leute, die sich das zumuten, mir dabei zuzuhören, und kreiere dadurch einfach … Wir kreieren jetzt gerade durch unsere Gespräche die Zukunft unserer Enkel und Urenkel. Das finde ich krass. Als ich das zum ersten Mal voll gecheckt habe, hat mich das fast erschlagen von der Verantwortung her. Mittlerweile törnt mich das total an. Mittlerweile, wenn Andrea und ich stuck sind – früher haben wir endlos darüber geredet, wer von uns was und wie gemacht hat und wer sich entschuldigen muss – jetzt kommen wir möglichst schnell zu dem Punkt: Wer wollen wir in zehn Jahren sein? Und wie muss das Gespräch jetzt verlaufen, damit wir in zehn Jahren da sind? Und sofort hast du ganz andere Optionen im Gespräch.

Unter dieser ganzen Geschlechterdebatte ist für mich das Hauptanliegen des Buches, den Menschen, der es liest, dafür zu begeistern: Das, was wir in die Bibel oder andere spirituelle Schriften projiziert haben, diese Genesis, die findet nonstop in uns statt. Jetzt gerade verändert dieses Gespräch den Lauf der Dinge. Punkt. Das ist nicht größenwahnsinnig. Größtenwahnsinnig wäre eher zu sagen, wir sind unwichtig. Die Art und Weise, wie jeder Mensch, der das hört, handelt, verändert den Lauf der Dinge. Das ist ein sehr erhebendes Gefühl.

Ein anderes Paradigma, das jetzt sehr wichtig ist und in einem Buch wunderbar gecrasht wird, ist Dualität. Gibt es die? Gibt es die nicht? Wie sieht die Alternative zur Dualität aus?

Sie gibt es als eine Dimension. Wer hier auf dem Planeten inkarniert, ausgenommen, deine Aufgabe ist es in diesem Leben, ein Vollblutheiliger zu sein, der nur unter dem Baum sitzt und vor sich hingrinzt. Ansonsten hast du dich mit Dualität auseinanderzusetzen. Das beginnt damit, wenn du jemanden den Weg beschreiben wirst. In deiner Stadt wirst du wahrscheinlich sagen: „Gehst du rechts lang, gehst du links lang.“ Dualität. Wir brauchen Dualität, um zu beschreiben, ob wir uns verändern. Es wird besser oder es wird schlechter. Dualität per se ist ein super cooles Hilfsmittel auf diesem Planeten, um sich zurechtzufinden. Es ist eine sehr grobe Dimension unseres Daseins. Unser letztes Wurstzipfelchen hängt quasi in der Dualität. Der große Rest von uns, das, was die Alten Atman, den Seelenfunken, beschrieben haben, der bleibt dualitätsfrei, der ist außerhalb davon. Das Coole ist, wenn wir uns damit wieder verbinden – und dafür muss man nicht einer Religion angehören, meditieren reicht völlig aus –, dann trainierst du tatsächlich auch deinen Geist, nondual zu denken. Du merkst plötzlich, viele Widersprüche sind gar keine Widersprüche. Zum Beispiel, ich bin auf einer gewissen Ebene ein Mann. Ich habe einen Penis. Ich bin froh, dass meine Frau eine Frau ist und keinen Penis hat. Auf einer anderen, tieferen Ebene bin ich kein Mann. Da bin ich ein lebendiger Prozess. Auf einer noch tieferen Ebene sind Andrea und ich eins miteinander. Ich bin hundertprozentig überzeugt davon, dass wir nach der Aufklärung in ein Zeitalter eintreten, ich nenne es post-religiöse Spiritualität, in dem es völlig selbstverständlich sein wird, auch unsere Kiddies in diesem nondualen Denken und Wahrnehmen zu schulen. Nondualität orientiert hat aber ein großes Problem: Sie trennt permanent. Sie trennt und mit dieser Trennung geht unglaublich viel Stress und Angst einher. Nicht zu verwechseln mit Polarität, weil das ist, was wir unbedingt brauchen, um eine lebendige Reibung zu erzeugen. Die Pole, die du beschreibst, werden wir viel, viel feinsensibler begreifen müssen, außerhalb der Geschlechterrolle sind Eros und Logos. Ich möchte da nochmal zurückkommen. Was sind für dich die Kernelemente des Eros als Grundprinzip und die des Logos?

Ich benutze das Bild einer kosmischen Geburt. Auch da kann ich nur sagen, liebe Wissenschaftler, die das Buch lesen und mir sagen: „Veit, die Jahreszahlen stimmen

nicht.“ Ich bin jemand, im Endeffekt sind mir keine Jahreszahlen wichtig, sondern ich benutze dieses Bild, um etwas begreiflich und erfahrbar zu machen. Das ist mir viel wichtiger als Zahlen auf dem Papier. Einfach mal von dem Punkt zu kommen, dass dieses Universum einmal nicht existiert hat. Das können wir uns mit dem Verstand gar nicht vorstellen, aber es gab mal ein großes Nichts. Wenn wir Eros verstehen wollen, müssen wir verstehen, dass Eros im Grunde genommen der Hüter dieses Nichts und Alles ist. Dieses Nichts war nicht Nichts, sondern ein unglaublicher Gebärmotor voller Energie, unermesslich potent. Gleichzeitig war in diesem Nichts und Alles wirklich alles enthalten. Eros ist diese Kraft, die seit der Geburt des Kosmos existiert und sich immer weiter ausdehnt, in allem diesen Zusammenhalt hütet und wiedererkennt. Deswegen sind meist Frauen, die meist Eros-lastiger sind, oft instinktiv mit dem Verbund der Dinge verbunden. Sie leiden zum Beispiel, wenn Familien auseinandergehen, wenn Dinge nicht gerecht verteilt werden, dienen viel eher und leichter selbstverständlich, weil Eros versteht, dass er im Grunde genommen immer sich selbst dient. Die Mutter, die ein Kind gebiert und mit diesem Kind auf alle Zeiten vereint sein wird, das ist die Kraft von Eros. Aber auch diese Erotik, die wir spüren, wenn wir jemanden anschauen und durch die Anziehung plötzlich eine Einheit verspüren, all das ist Eros. Eros ist eine so schöne, sinnliche, tiefe Kraft. Das Urgewebe dieses Universums ist Freude. Nicht so eine menschliche Stimulationsfreude, sondern eine tiefe, grundlose Ekstase. Eros ist quasi permanent verbunden mit dieser Ekstase. Immer wenn Eros Verbindung findet, zum Beispiel in einer sexuellen Vereinigung, in einer Berührung oder auch in der Heilungsarbeit, erkennt sich das Universum wieder und das löst Ekstase aus in verschiedenen Arten. Das ganz kurz zu Eros. Das große Problem, das ich sehe, ist, dass wir Eros feiern, aber in Nischen verdrängt haben. Sexualität ist im großen Durchschnitt total primitiv. Wir werden nicht sexuell erotisch geschult. Wir rammeln ein bisschen rum und denken, das ist dann Sexualität. Dienende, heilende, nährende, sexuelle, sinnliche Berufe führen meist ein Nischendasein, müssen meist kämpfen, um anerkannt zu werden. Künstlerische Berufe. Eros steigert nicht den Umsatz. Langfristig gesehen ist Eros das Fundament für jede Geburt, für jeden Baum, der wächst. Ohne Eros verbrennt die Erde und das erleben wir gerade, weil – und jetzt kommen wir zu Logos – Logos ist der erste Lichtstrahl des Urknalls. Das Universum explodiert und sagt: „Hasta la vista! Jetzt geht die Post ab und jetzt will ich wissen, wie weit ich dieses Pony reiten kann.“ Logos spüren wir, wenn wir Dinge durchdringen wollen, wenn wir Dinge erobern wollen. Egal wie bescheuert ich die Marsbesiedlungspläne von Elon Musk finde, ich kann ihn verstehen, ich kann diesen Drang verstehen, die Grenzen permanent auszuweiten. Logos hat am Anfang sogar Angst vor der Einheit, weil er weiß, egal wie weit er das Pony reitet, er wird irgendwann in diese Einheit zurückkommen. Die Einheit wird alles, was er je aufgebaut hat, schlucken. Für mich persönlich ist das eine der großen spirituellen Herausforderungen für Männer. Frauen sind in der Tiefe viel mehr damit verbunden, dass sie auf eine gute Art und Weise nichts sind. Männer identifizieren sich so sehr mit ihren Türmchen, die sie aufbauen, ahnen aber in der Tiefe, dass irgendwann die große Welle kommt und das alles wegspült. Deswegen haben wir zum Beispiel auch Angst davor, uns in der Liebe zu einer Frau oder zu einem Mann vollständig hinzugeben, weil das ist Eros. Wenn du dich hingibst, musst du all deine Konzepte loslassen, deine Klugscheißerei loslassen, du fährst ins Nichts. Die große Liebe ist letzten Endes auch immer ein großer Tod. Logos hat quasi 10.000 Jahre sturmfreie Bude gehabt und hat die genutzt, um in den Himmel zu bauen, in die Erde zu graben. Wir sind ausgebrannt, weil Logos nicht gebremst und nicht ausbalanciert wurde.

Mir kommt es manchmal vor wie ein fundamentales Binge-Eating. Alles wurde immer mehr gefressen und ohne Seele dahinter sind wir extrem leer. Das beschreibst du gerade. Ich finde das Bild und auch die Dynamik, die du beschreibst, sehr inspirierend, weil es ist vielleicht die Angst, das Ego loszulassen oder die Angst vor dem Tod des Logos, die den Tanz erschwert. Es ist ein ewiger Kreislauf. Da sind wir schon mitten im Thema, was es zu lernen gilt. So zusammen.

Ja. Deswegen ist auch die Frage Nummer eins, die mir Frauen stellen, wenn ich in Vorträgen über das Thema spreche: „Wie kann ich meinen Mann dazu motivieren, sich an dieser Entwicklung zu beteiligen?“ Zweitens: „Warum haben Männer so ein Problem damit?“ Was vielleicht hilft zu verstehen, ist: Für den Mann bedeutet die Ganzwerdung, sich seinem Eros zuzuwenden, und Eros ist dunkler, komplexer, bedeutet auch, dass du als Mann wirklich erkennen musst, dass egal, was du in deinen Schlachten erobert hast, es nichts ist. Du brauchst echt Eier, um dich dem zu stellen und du brauchst eine gewisse Form von Intelligenz zu sagen: „Okay, ich will mich dieser Erkenntnis nicht stellen, wenn ich kurz vorm Tod bin, sondern eigentlich ist es cool, wenn ich jetzt in diese gute Bedeutungslosigkeit hineinsterbe, weil dann bekommt mein Logos Sinn.“ Das ist nämlich das Paradox. Solange Logos wegrennt vor dieser Vereinigung, hat es auch immer etwas damit zu tun, sich in sinnlose Abenteuer zu stürzen und sich niemals die Frage zu stellen: „Worum geht es hier eigentlich wirklich?“ Das ist einer der Hauptdinge, die Männern verloren gegangen ist und die ganz viel Hilfe sind, die du anbietest. Der Polarstern, von dem du redest. Was meinst du damit und wieso ist das so grundlegend für so viele Problematiken heute und wie gelingt es, den Polarstern zurückzuerobern?

Mir ist immer wichtig zu erwähnen, auch wenn ich das Buch an manchen Stellen in männliche und weibliche Perspektiven teile, lade ich Männer, Frauen und alle anderen Wesen dazu ein, jedes Kapitel zu lesen und zu schauen, ob es sie berührt. Das Thema Polarstern kann Frauen genauso stark berühren. Logos will und muss erobern und es funktioniert nicht, wenn wir sagen, wie es manche Spiris versuchen, ich nehme an dem Spiel gar nicht mehr teil, weil dann schläfst du ab. Dann bist du ein Schlafer, Schöpfer, schlaffender Penis und hängst in der Ecke und bist aber ein Werkzeug. Sobald du Logos aktivierst, bist du ein schöpferisches Werkzeug und dieses Werkzeug braucht Führung. Führung kann daran bestehen, sich dem Duktus der Gesellschaft anzuvertrauen. Das ist das, was Männer heutzutage meistens machen. Wir rennen dem hinterher, was derzeit die glänzendste Karotte ist. Für den einen ist es das Sixpack, für den nächsten die erste Million, für den nächsten der Porsche. Polarstern heißt, und das ist eine sehr radikale Frage, das ist für mich nicht: „Ich gehe mal ins Seminar und finde meinen Polarstern“, sondern ich stelle mich meiner Sterblichkeit. Ich stelle mich dem, dass jeder Moment mit meinen Liebsten total flüchtig ist und nicht wiederbringbar. Ich gehe ins Gebet, um herauszufinden, wofür ich wirklich als Werkzeug auf diese Welt gekommen bin. Das muss nichts Spektakuläres sein. Wir brauchen diesen Polarstern, sonst tendiert Logos dazu, sich über Jahrzehnte etwas einzureden. Ich kenne das selbst. Mittlerweile passiert mir das seltener, weil ich oft Meditation dazwischenschalte und gerne nochmal mit Andrea drüber spreche. Früher war ich fähig, fünf Jahre lang einer Fata Morgana hinterherzulaufen, weil sie sich in meinem Kopf festgesetzt hat, wie ein Virus. Das ist das, was ich brauche für meine Vervollständigung. Ich habe mir den Arsch aufgerissen und dann am Ende festgestellt, ich habe die Leiter am falschen Haus aufgestellt. Männer sind extrem verführbar. Es fällt uns unglaublich schwer, unseren Stolz loszulassen und zuzugeben, besonders dann, wenn wir 10, 20, 30 Jahre in eine bestimmte Form von Zielen oder Karriere gesteckt haben. Dann lieber bis zum Ende weitermachen und so tun, als ob alles stimmt. Aber wenn ein Ziel sinnlos ist, wird dein Herz leer. Es brennt einfach aus.

Es ist unfair, die Männer dafür zu verurteilen, dass sie das gemacht haben, was in den letzten Jahren probat war. Wir leben in einer Gesellschaft, wo genau diese Logos-Eigenschaften primär belohnt werden. Das schließt sich natürlich auch provokant der Kreis. Es ist patriarchisch geprägt und es sind keine Werte, die die Welt noch weiter voranbringen, sondern die die Welt ausnutzen. Aber viele Jahrzehnte war das einfach der Modus und passt voll in den Logos. Man darf sich dafür auch nicht selbst verurteilen, sondern muss einfach merken, es steht jetzt was Neues an.

Noch mal: Aus diesem Drang des Logos sind unglaublich schöne Dinge entstanden. Sprache, Kultur, Sicherheit, Gesellschaften, in denen man sich relativ sicher fühlen kann. Logos ist nicht der Bösewicht, es geht um eine Balance.

Ich würde ganz gern auch so als Gleichgewicht auf die größte Herausforderung im Eros-Bereich eingehen. Die Frau, die Königin, hat den Thron entweder nie eingenommen, durfte nie drauf oder geht nicht gern in Führung. Was für eine Problematik haben Frauen damit, in Führung zu gehen? Und warum ist es so wahnsinnig wichtig, dass wir das immer mehr machen?

Um dem Defizit versöhnlich zu begegnen, gab es bei Männern und Frauen, glaube ich, hilft es, wirklich mal von dem Punkt zu kommen: Wir sind alle brainwashed worden. Wir sind alle wirklich brainwashed worden. Deswegen ist es mir wichtig, die Geschichte des Patriarchats von beiden Seiten zu erzählen. Wenn du dir als Frau einfach klar machst, du hast 10.000 Jahre lang einen auf den Deckel bekommen, wenn du versucht hast, in die Power zu kommen. Bestenfalls bist du ausgelacht worden, schlimmstenfalls bist du verbrannt worden. Das ist mir ganz wichtig, in diesem Buch darauf hinzuweisen: Selbst wenn dir in diesem Leben so etwas nicht passiert ist, wir sind alle verbunden mit diesen geschichtlichen kollektiven Feldern. Es ist völlig verständlich, dass es erst mal eine riesige Frage gibt, wie geht weibliche Führung? Ich habe ein super Beispiel bei mir zu Hause. Andrea ist ein Atomreaktor an Lebendigkeit. Sie leitet unsere Company, aber rauszukommen aus einer männlichen Art der Führung, weil das sind die Bilder, die sie übersieht, hinzukommen zu einer weiblichen Form der Führung und gleichzeitig mit all den Männern, mit denen sie Meetings führen muss, sich da auch durchsetzen zu können. Es ist wie, als wenn sie eine neue Sprache entwickelt.

Ich weiß genau, wovon du redest. Ich arbeite auch in einem Männerdominierten Job. Es ist ja auch, ich sehe das manchmal fasziniert, sie und ich, wir sind ja mittlerweile gut eingespielt, aber wenn sie so mit Männern spricht und ich sag jetzt mal weiblich spricht, wie die das manchmal erst mal überhaupt nicht raffen. Wie sie dann manchmal doch noch mal das Schwert auspacken muss, damit die überhaupt erst mal richtig zuhören. Frauen gehen in ein Vakuum rein, das muss man einfach ganz klar so sehen. Ich glaube persönlich, dass Frauen gelernt haben, wie Männer zu führen, und dabei einen enorm hohen Preis bezahlt haben. Ich bin 100 Prozent sicher, dass es den meisten Frauen in der Tiefe nicht gut tut, weil du wirklich anfängst, immer mehr männliche Hormone zu entwickeln und letzten Endes in deinen eigenen Eros wieder verrätst. Es ist jetzt ein hartes Wort, aber viele Frauen, die lange ihren Mann gestanden haben, sehen wirklich geschlechtsneutraler aus. Da habe ich volles Mitgefühl, weil wenn du in dieser Gesellschaft als Frau nicht nur Kinder großziehen willst, sondern gleichzeitig auch Karriere machen willst und ernst genommen werden willst von den Männern und so weiter, musst du an manchen Stellen so gegen deine wahre Natur gehen, dass du einen großen Preis dafür bezahlst. Ich glaube, wir wissen gar nicht, wie weibliche Führung aussieht. Es gibt vielleicht Modellprojekte, es gibt Spitzen, wo das rauskommt. Wenn ich zum Beispiel höre, dass die finnische Präsidentin über die Hälfte ihrer Ministerien von Frauen besetzt hat, ist das Erste, was sie gemacht hat, sie in die Sauna einzuladen und mit ihnen über Kinder zu reden. Da kriege ich ein Gefühl dafür, okay, da geht’s lang. Da geht’s lang, weil ich mir vorstelle, Ministerinnen und Minister in der Sauna sitzen und über Kinder sprechen, werden dieses Land anders führen als Männer, die wie unsere Babytyrannen Laschet und Söder versuchen, sich in Position zu bringen und sich eigentlich so offensichtlich lächerlich machen. Ich bin da extrem gespannt. Ich glaube, wir brauchen in so vielen Stellen neue Sprachen. Programmieren ist ja ursprünglich eine extrem logoslastige Sprache, 0.1, 0.1. Ich glaube, das ist verheerend, weil das dazu führt, dass extrem viele Männer Programmierer sind und eine digitale Welt programmieren, die männlichem Logos entspricht. Und es ist eine Katastrophe.

Der Algorithmus, das Prinzip des Algorithmus allein schon. Und was das mit unserer Welt macht, ist verheerend. Völlige Fremdsteuerung aufgrund von historischen Prinzipien. Es ist ja ein heißes Eisen im Buch. Der Abschnitt, wo ich mich als Mann ertreiste, ein Feedback zu geben. Das ist kein Ratgeber-Feedback, sondern hier, passt auf. Ich bin Mann. Ich beobachte euch. Ich liebe Frauen. Das ist das, was ich sehe und was ich glaube. Ich wünsche mir von euch, dass Frauen noch mal, nicht nur in Tantrakursen, sondern generell noch mal viel tiefer in die Erforschung und Heiligung von Eros einsteigen. Um diese Power dann in Familien zu bringen. Gerade Kleinfamilien fehlt so viel Eros.

Das ist interessant. Als du das ansprichst, dass Frauen für dich da eine natürliche Kernkompetenz haben, das möchte ich gar nicht leugnen. Aber ich fand es sehr interessant. Auf der einen Seite, dass man noch keine Modelle hat für Männer, die die ersten Jahre betreuen. Das finde ich auch erwähnenswert. Das könnte auch ein sehr interessantes Modell sein. Und das Zweite, dass die großen Potenzial- und Erziehungsforscher meist Männer sind. Da wird es paradox. Um nochmal zum Führungsthema zurückzukommen, ich glaube tatsächlich, dass wir zum einen als Frauen noch nicht für uns selbst erobert haben oder uns nicht trauen, rauszukommen mit neuen Konzepten. Das wird ein Weg sein. Wir müssen aber auch damit leben, dass die ganze Welt da draußen dieses andere Führen so noch gar nicht schnallt. Mich hat das Wort Führen da auch so ein bisschen, weil ich es sehr logoslastig fand, irritiert. Ich dachte, würde ich nicht so empfinden. Ich würde sagen, man geht in der Gruppe voran. Man ist ein Leuchtturm zum Beispiel, solche Begrifflichkeiten. Dann guckt man mal, wer dann später der Leuchtturm ist oder als weiterer Leuchtturm dazu kommt. Völlig andere Konzepte da mal zu denken, die eher mehr entgegenkommen. Das unter uns Frauen, wie uns gegenseitig da immer sehr stark zerhexeln, ist ein ganz großes Problem. Sisterhood ist wirklich völlig verloren gegangen und uns auch kaputt gemacht worden. Das müssen wir neu erobern, um uns in der Grundkraft zu stärken. Wie auch andere Dinge, die stark verloren gegangen sind. Was ist dem Eros noch verloren gegangen, was wir zurückerobern müssen?

Ich glaube, Eros selbst ist gar nichts verloren gegangen. Es ist eher so, dass wir eine Gesellschaft erschaffen haben, die Eros nicht genug Raum zum Erblühen gibt. Eros braucht Raum, braucht Zeit. Nehmen wir mal Sexualität. Wirkliche Sexualität braucht Raum, braucht Zeit, braucht eine Atmosphäre von „Hier passiert etwas Heiliges“. Wir rammeln nicht einfach nur rum, sondern hier passiert etwas Heiliges. Das brauchen Umdenken in uns allen zu verstehen, dass diese Zeiten, die scheinbar kein Wachstum oder Umsatz fördern, unglaublich kostbar sind.

Ich habe bewusst das Wort Führung genommen. Vielleicht werden wir wirklich noch mal Zeiten erleben, in denen wir den Luxus haben, in Ruhe zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln wollen. Ich glaube, dass die nächsten 10, 20 Jahre entscheidend sein werden für die Menschheit. Ich kann für mich sagen, als Mann, ich genieße es total, wenn Frauen in Foren, im Team, etc. in Führung gehen. Ich wohne jetzt gerade mit zwei Frauen zusammen, weil meine Tochter auch da ist. Wenn die mich an bestimmten Stellen lehren, wenn die einfach sagen: „Veit, ich möchte jetzt gerne zehn Minuten deine Aufmerksamkeit, weil ich dir gerne erklären möchte, wie ich das, was gerade stattgefunden hat, sehe.“ Das ist ja bereits in Führung gehen. Was dann oft passiert ist, das sehe ich in mir. Manchmal, wenn wir Streit hatten oder ein hartes Gespräch, kommt erst mal eine Schicht Enttäuschung, Schmerz, Grollen. Dann wird es weicher. Eros nimmt sich Raum. Sobald Eros Raum bekommt und nicht bedrängt wird – und Raum ist Zeit – also, wenn Krankenschwestern dafür bezahlt würden, wirklich für die Menschen da zu sein. Ich kenne so viele Menschen im Pflegepersonal, die darunter leiden, weil sie immer einen Nacken im Nacken haben, der sagt: „Du hast aber nur drei Minuten Zeit für diesen Patienten.“ Wenn du mit dem Patienten sitzt und weißt, ich kann ihm jetzt wirklich die Hand halten, bis er eingeschlafen ist, dann ist Eros da. Das kommt von ganz alleine. Eros braucht Raum. Warum schläft Sexualität bei Paaren ganz häufig ein? Weil es keinen Raum mehr gibt. Beide beackern sich meist mit dem logoslastigen Alltag, sind abends müde, fallen ins Bett, dann vielleicht noch ein bisschen an den Brüsten der Frau rumdrehen wie an Radioknöpfen. So kann kein Eros entstehen, verstehst du?

Für mich ist ganz wichtig zu unterscheiden zwischen einem juristischen Opfer – das heißt, mir ist wirklich etwas passiert, das einfach nicht okay war, Punkt – und der Haltung, der geistigen Haltung eines Opfers. Für mich persönlich ist das die schlimmste Krankheit der Menschheit. In dem Augenblick, wenn ein Geist befallen wird von dem Gedanken: „Ich bin ein Opfer von etwas“ – und nochmal, ich habe vollstes Verständnis dafür, dass wir da landen können, und ich möchte jetzt Kinder ausblenden, weil Kinder sind noch mal eine andere Nummer. Kinder sind unschuldig, wehrlos und sie sind ganz oft Opfer. Aber wenn ich mir als Erwachsener diesen Gedanken erlaube: „Ich bin ein Opfer von etwas“, vergifte ich meinen Geist. Ich vergifte und schwäche meinen Geist und ich bin niemals mehr in der Lage, mein volles Potenzial auf die Straße zu bringen. Es ist, als wenn durch dieses Loch des Opferseins die Energie rausfließt. Und ganz verheerend wird es dann, wenn ich mir noch ein paar Freundinnen suche, die mir zustimmen, dann gründen wir einen Opferklub, geben uns gegenseitig Recht. Opfer bekommen nie das, was sie wirklich wollen, sondern kultivieren das, was sie nicht wollen. Punkt, das ist schon alles. Ich habe häufig in meinen Coachings Menschen vor mir sitzen, Frauen und Männer, die Sachen erlebt haben, wo ich innerlich denke: „Wie kannst du überhaupt noch leben?“ Andrea hat Sachen in ihrer Kindheit erlebt, wo ich denke: „Frau, wie konnte das aus dir werden?“ Aber ich sehe auch, dass der eine Mensch daraus macht: „Okay, weil mir das passiert ist, muss ich jetzt bis mein Lebensende leiden.“ Und wenn jemand das in seinem Schöpfergeist beschließt, dann schickt er seine Genesis in die Richtung der Vergangenheit. Er bunkert Schöpferkraft in der Vergangenheit. Ich habe Menschen erlebt, die wirklich die Hölle erlebt haben und die stehen so leuchtend vor dir und sagen: „Ich stehe zu dem Schmerz, ich stehe zu dem Grauen und nichts davon kann mich in meiner Würde wirklich verletzen und ich mache das Beste daraus.“ Da gibt es die krassen Opfergeschichten und dann sehe ich, dass sehr viele Frauen eine latente Opferhaltung kultiviert haben. Das klassische Beispiel ist, acht von zehn Frauen, die zu mir ins Coaching kommen, sind der Meinung, dass ihr Mann sich nicht schnell genug entwickelt. Dann sage ich: „Stell dir mal vor, dein Mann wäre eine richtige Transformationsrakete, was sollte er dann mit dir anfangen? Während du, wie die Schlange aufs Kaninchen starrst und dich die ganze Zeit damit beschäftigst, warum sich der Typ nicht entwickelt, rate mal, wer sich gerade nicht entwickelt. Das bist du. Geh doch einfach los und hör auf, angenommen, er ist der totale Loser – was ganz häufig nicht der Fall ist, sondern Männer entwickeln sich einfach anders, Punkt, haben völlig andere Dynamiken – aber angenommen, er wäre ein Entwicklungsloser, solange du dir das erzählst, bist du ein Opfer dessen und kommst nicht in deine eigenen Puschen.“

Selbstermächtigung. Aber ich versuche das immer noch zu knacken, warum das oft so ein Riesenproblem ist. Führung, Opfer – nicht so in die Führung vielleicht, so gern und Opfer. Für mich ist da ein wahnsinniges Scham- und Schuldthema, das Frauen tief in sich drin tragen und das der totale Hemmer ist. Woher kommt das und wie können wir das auflösen?

Wenn du zu einer Spezies gehörst, die 10.000 Jahre jedes Mal, wenn sie ihre Power wirklich ausgepackt hat, wenn sie nackt ums Feuer getanzt ist, wenn sie gesagt hat: „Ich glaube nicht daran, dass diese alten Priester in der Kirche die einzigen sind, die die Wahrheit kennen“, wenn sie sich erlaubt hat, in einen griechischen Philosophenkreis zu treten, in die Agora und ihre Meinung zu äußern, wenn du 10.000 Jahre lebst, dass jedes Mal, wenn du aufstehst in deinem Licht, in deiner Lust, in deiner Weisheit, du bekämpft wirst. Und wir reden hier nicht von Lapalien, wir reden von Todesgefahr. Wir reden davon, dass viele Frauen die Erfahrung gemacht haben, dass in dem Augenblick, wo sie das erste Mal in ihrer Kindheit in ihrem Eros erblüht sind, von Männern missbraucht wurden, sei es nur durch lüsterne Blicke oder durch sexuellen Missbrauch. Dann entwickelst du einen Schuldkomplex im Sinne von: „Ich darf nicht so groß sein, ich darf nicht so lustvoll sein, ich darf nicht so leuchten.“ Scham hat ganz viel mit Sichtbarkeit zu tun. Mit dem Gefühl von: „Wenn ich wirklich sichtbar bin, dann ist etwas an mir schamenswert.“

Ich erzähle jetzt mal ein Beispiel, auf das ich überhaupt nicht stolz bin, aber um zu zeigen, wie tief das greift. Als ich Andrea kennengelernt habe, war sie mir damals, was den Grad der Lebendigkeit betrifft, weit überlegen. Ich war dagegen verklemmt. Dann sind wir in eine Diskothek gegangen, frisch verliebt, ich hatte keine Lust zum Tanzen, habe mich an den Rand gesetzt. Andrea ist allein auf die Tanzfläche, hat sich komplett losgelassen. Jetzt würde ich es feiern, weil ich weiß, wie meine Frau aussieht, wenn sie tanzt, wenn sie frei ist. Eine Frau, die frei ist, die channelt Energie, die setzt Energie frei. Was habe ich damals gemacht? Ich habe gewartet, bis sie von der Tanzfläche runterkam und habe ihr ein schlechtes Gewissen gemacht nach dem Motto: „Wie kannst du so viel Raum einnehmen? Wie kannst du dich so unverschämt zeigen?“ Und das passiert Mädchen und Frauen an jeder Ecke. Es ist völlig verständlich, dass, wenn ich auch nur in die Ahnung komme, ich könnte mal diese Power wirklich auspacken, ich Angst bekomme vor dem, was passieren kann, und dass diese Schuld- und Schamkomplexe hochkommen.

Dafür brauche es echte Schwesternschaft, Circles, wo sich Frauen erst mal richtig stärken können, spiegeln können. Lust, ja Lust. Frauen sind lustvoll, Männer sind auch lustvoll, aber Frauen sind aus meiner Sicht noch mal anders lustvoll. Das ist einfach im Urgewebe drin. Ich darf das mal zu stärken, bis du wirklich hier ankommst und sagst: „Ich bin voll okay, so wie ich bin.“

Das ist genau der Punkt. Die Schönheit, die wir in uns eigentlich drin tragen, diese magische Schönheit an sich, die ist uns wirklich geschändet worden. Das sagst du auch, die müssen wir zurückerobern.

Das ist ein Riesenkapitel im Buch. Wir haben den Mythos der Schönheit pervertiert. Eine massive Gehirnwäsche hat stattgefunden. Geh mal auf Instagram. Eine an sich schöne Frau verrenkt ihre Beine in eine Pose, das würde doch eine wirklich intelligente Spezies niemals machen, den Bauch einziehen oder sonst was. Absurd, aber verständlich, weil wir männliche und weibliche Gehirne auf Schönheitsideale getrimmt haben, die mit wirklicher Schönheit gar nichts zu tun haben.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass das, was das Göttliche ausmacht, das Seelenvolle, das ist beim Eros verankert und das ist verloren gegangen, weil es nach außen verlagert wurde. Wie meinst du das? Wie können wir uns das Göttliche Eros-Prinzip zurückerobern, dass wir alle wieder beseelt sind?

Für mich hat Mystik oder heilige Räume immer eine Ebene von Eros und eine Ebene von Logos. Logos ist die Kraft in uns, die das Heilige begreifen will, die sich dem heiligen Geist entgegenstreckt, die vielleicht auch philosophieren will mit Gott, die darüber sprechen will. Eros ist die Kraft in uns, die eine Blume anschaut, einfach nur anschaut. Und zwar nicht wissend, sondern staunend. Die Blume anschaut und Gott in dieser Blume erkennt. Interessanterweise haben wir lange Zeit auf unserem Planeten zusätzlich zu den transzendenten Religionen, die die Oberhand haben – die immer das Paradies verschieben auf irgendwann später – immer endende Religionen gehabt. Naturvölker, aber auch matriarchale Religionen, die in allem Gott gesehen haben. Wenn du nicht wissend, sondern staunend an die Dinge herangehst – fass mal eine Baumrinde an, das ist doch egal, was ein Wissenschaftler dazu sagt. Das ist ein Wunder. Oder schau dir eine Biene an, die eine Blüte bestäubt. Andrea hatte mal ein schönes Beispiel: „Falls es rechtlich okay wäre, würde ich total gern ein Seminar machen, in dem sich Leute hinsetzen. Am Anfang des Seminars bekommen sie ein kleines Messer und jeder schneidet sich einmal in den Finger. Dann schaust du schweigend eine Woche lang einfach nur zu, wie sich diese Wunde schließt. Dann hast du alles über Heilung gelernt.“ Das ist heilig. Das fehlt in unserer Gesellschaft. Logos hat sich im Zeitalter der Aufklärung – ich stehe total auf Wissenschaft, aber Wissenschaft kann nicht alles erklären, ist auch gar nicht ihr Job – zu einer Hybris und Arroganz aufgeschwungen mit dem Ergebnis, dass uns diese staunende Ebene voll abhanden gekommen ist. Diese Räume brauchen wir wieder. Gottesdienste ohne Kirche. Jedes Frühstück einer Familie kann ein Gottesdienst sein.

Ich habe früher mal Vergebung so ein bisschen abgetan nach dem Motto: „Ja, ja, Vergebung gehört dazu.“ Bis ich begriff, dass Vergebung ein intelligenter Lebensstil ist. Was passiert, wenn wir etwas nicht vergeben? Wenn wir etwas nicht vergeben, parken wir einen Teil unseres Bewusstseins in einer vergangenen Erinnerung, in etwas, das längst vorbei ist. Also ich nehme von meinem Schatz, den ich heute habe, etwas und verstecke es, wo ich nicht mehr rankomme. Ich löse damit nichts, sondern ich zersplittere meine Kraft. Ich habe meine Kraft nicht mehr hier zur Verfügung. Das ist das, was ich heutzutage sehe. Frauen und Männer kommen gar nicht mehr wirklich zusammen. Wir sind so blind füreinander.

 Wir haben so viel Groll, so viele Vorurteile. Ich finde es absolut wichtig, dass durch die MeToo-Debatte der ganze Scheiß aufliegt. Aber wenn wir da hängen bleiben, indem: „Du bist schuld und du bist schuld und du bist schuld“, so lernt niemand. Ich bin ein Optimist. Gleichzeitig sehe ich, wenn wir nicht aufpassen, gleitet die Menschheit in den nächsten 10, 20 Jahren in eine echte Dystopie ab. Das heißt für mich, wir brauchen jetzt eigentlich jeden einzelnen Menschen frei von Vergangenheit hier in diesem Moment, um Zukunft zu kreieren. Also, bitte schön, lass uns noch mal richtig abkotzen und dann nach vorn schauen.

Ich weiß gar nicht, ob ich das Beispiel im Buch bringe, aber das war für mich ein Leuchten. Mir hat mal jemand erzählt von einem Fischerdorf in Südkorea. Die hatten folgende Angewohnheit: Wenn da jemand gestorben ist, dann haben die die Angehörigen in einen Raum gelegt, Riesenfische genommen und auf diese Angehörigen eingeschlagen, um den ganzen Schmerz, Wut, Trauer, Enttäuschung rauszuschlagen. Nicht eine Stunde, sondern einen ganzen Tag lang. Die haben es rausgeschlagen. Danach war gut. Danach war einfach gut. Danach war okay. Die Toten sind tot, lass uns leben. Ich sage nicht, dass wir mit Fischen aufeinander einschlagen sollen, aber das ist für mich ein gutes Bild. Lass uns voneinander stehen und sagen, was da für ein Schmerz ist, was da für ein Vorwurf ist. Übrigens auf beiden Seiten. Männer sind nicht nur die Bösen. Männer haben auch ihren Preis gezahlt. Männer kotzen total darüber ab, dass sie immer wieder in diese Schubladen gesteckt werden. Lass uns einmal richtig abkotzen und dann eine geile Zukunft kreieren.

Das ist wichtig anzuerkennen: dass wir uns selbst auch vergeben müssen, weil wir verraten auch den Logos und den Eros in uns. Das ist eine ganz wichtige Ebene und wir kämpfen auch selbst einen Kampf gegen uns selbst in den Teilen, die wir nicht erlösen. Aber ich will in eine Richtung, die schwer zu erfassen ist, die aber wichtig ist zum Vergeben. Es gibt Verwicklungen, wo Frauen das genießen, dass Männer in ihrem Logos behindert sind und das machtvoll ausnutzen, genauso wie es umgekehrt Privilegien gibt, die Männer genießen und die nicht abgeben wollen, sodass Frauen nicht richtig in die Blüte kommen. Das ist wichtig, dass wir uns dem widmen, weil an der Stelle wird es schnell explosiv. Wo siehst du da Schnittstellen, wo beide das fiese Spiel verhakt weiterspielen? Wo es dreckig wird, wird das nicht losgelassen, sag ich mal.

Ich bringe mal ein sehr plastisches Beispiel. Ich lebe in Baden-Baden. Ein Bild, das ich hier ganz oft sehe, sind russische Oligarchen. Ich übertreibe jetzt ein bisschen. 50 bis 60, grobschlechtig, vernarbtes Gesicht. Ich unterstelle ihnen einen Mangel an Feinsinnigkeit aufgrund ihres Auftretens. Sie wirken extrem grob. Dann kommt zehn Meter weiter hinten eine Frau, meist um 20, 25, aufgeblasene Brüste. Und meist noch eine Nanny, die das Baby trägt. Ich sag mal, die haben auch eine Form von Gleichgewicht gefunden. Was ich schrecklich finde. Aber wenn die jetzt das Buch lesen, sagen sie vielleicht: „Alter, ich habe keine Ahnung, was du meinst. Wir haben hier einen super Deal. Ich lass mich von dem Alten ficken und dafür bezahlt der Krieg richtig viel Kohle.“ Das klingt jetzt unglaublich hart und herzlos. Ich meine das nicht so. Ich glaube, wir akzeptieren müssen, dass Männer und Frauen sich auf sehr unterschiedlichen Entwicklungsebenen befinden und dass manche Frauen tatsächlich bestimmte Spiele ganz bewusst fördern und im Augenblick noch nicht rausfallen. Genauso wie eine Menge Männer mich für einen feministischen Verräter halten, weil sie sagen: „Für mich läuft das hervorragend. Meine Frau tut, was ich sage, ich brauche nur die Stimme zu erheben, dann ist Ruhe im Haus.“ Ich glaube an eine Spirale der Evolution und hoffe, dass das Buch an verschiedenen Stellen einen gewissen Aufruhr erzeugen kann und Menschen, die offen sind, die müde sind von ihrem Spiel, helfen kann, ihren Part des Spiels loszulassen. Es gibt unzählige Beispiele. Wenn du mit einer verheirateten Frau sprichst, die wird dir schwören, dass Treue der absolute Wert für sie ist. Wenn sie dann selbst Single ist, hat sie plötzlich kein Problem mehr damit, eine andere Familie auseinanderzubringen, eine Affäre anzufangen. Dann ist es plötzlich eine Seelenbeziehung. Wir müssen auch eine Weile ehrlich mit uns sein, um diese Spiele zu entdecken. Zum Beispiel Andrea und ich. Wir sind immer noch dabei, an vielen Stellen zu gucken: „Hier ist noch ein Scheißprivileg, hier ist noch ein Muster“, aufzudecken. Auf der anderen Seite aber auch milde mit uns zu sein, einfach zu sehen: „Hey, wir sind Kinder, wir sind im Vorschulalter der Evolution. Wir haben noch einen Weg vor uns.“ 

Es ist noch mal ganz wichtig zu erwähnen: Das ganze Buch richtet sich nicht nur an Heteros, sondern es ist ein Buch, das unabhängig von Gender an alle geht. Um aus meiner Erfahrung zu sagen, finde ich, dass die Queer Community uns schon vorlebt, wie es geht. Alles, worüber wir reden, da sind die Schattenseiten oft viel besser integriert vom anderen Geschlecht. Ja, aus der Not der Diskriminierung heraus geworden, aber letztendlich ist das die Speerspitze. Deswegen endet das Buch ja auch mit dem Kapitel, weil ich letztendlich glaube, dass wir alle queer sind. Wir sind alle schräge Vögel oder whatever. 

Ich finde das total wichtig, weil man da wirklich noch ganz viel Schattenarbeit jeder für sich machen muss. Beispielsweise Frauen, die auf manche Frauen, auch aus der Queer-Szene, sehr aggressiv reagieren und sie als „Kampflesbe“ oder so bezeichnen. Was finden sie da als Modell, das sie so provoziert in ihrem eigenen Unbefreiten? Oder Männer, die dann verweichlichte Schule oder sonst wie. Das ist total wichtig und dass die Queer-Society es aushält, dass wir uns an ihnen reiben, ist beeindruckend. Hut ab!

Das große Geschenk, was du neben all den Dingen, die du schon gesagt hast und mit diesem Buch gibst, ist, du ebnest den Weg dahin. Was ist die Antwort auf all das? Was ist die Antwort auf den großen evolutionären Engpass, in dem wir uns befinden? In welche Richtung geht die Lösung?

Ich liebe es, wenn ich Projekte angehe, die offen sind. Für mich ist das Faszinierende an menschlichen Beziehungen, dass wir noch nicht mal ansatzweise geritzt haben, wer wir füreinander sein können. Jeder Einzelne von uns ist ein queeres Genie. Hat einen einzigartigen Mix an weiblichen und männlichen Qualitäten, bringt so viele Begabungen mit sich. Mir wird fast schwindlig bei der Vorstellung, wie es sein kann, wenn wir mal unseren ganzen kleinen Dreck-Ego-Mist beiseitelegen und sagen: „Jetzt lassen wir mal wirklich die Puppen tanzen.“ Schlechtes Beispiel. „Jetzt lassen wir diese Kräfte in uns tanzen.“ Deswegen kann ich gar nicht sagen, wie es aussehen wird. Was ich definitiv sagen kann, weil dafür gibt es viele Modellprojekte und auch Andrea und ich bewegen uns da immer mehr rein: Die Beziehungsform der Zukunft wird und muss Co-Creation sein und das ist etwas anderes als Kooperation. Co-Creation ist exponentiell kreativer, ist wesentlich mehr eingebunden in das, was tatsächlich stattfindet, sprengt das Zeitparadigma, weil die Dinge nicht mehr zehn Jahre im Voraus geplant werden, sondern die Dinge werden agil in diesem Augenblick entwickelt, und zwar wirklich in einem Netzwerk mit dem gesamten Leben. Wenn ich sehe, wie kleine Unternehmen, die das umsetzen, oder Liebesbeziehungen, wie die abgehen, dann habe ich große Hoffnungen für die Menschheit. Dann glaube ich, dass wir die Probleme, die im Augenblick so aussehen wie „Oh fuck, das schaffen wir nie“, lösen können. Dafür braucht es einen Tipping Point. Ich habe mal mit dem Zukunftsforscher Horx darüber gesprochen. Er hat gesagt, Zukunftsforscher gehen davon aus, dass es drei bis sechs Prozent einer Gesellschaft braucht, um einen Trend zu erzeugen. Das sind ja gar nicht so viele. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte die Chance, mit diesem Buch drei Millionen Deutsche für dieses Thema zu begeistern, glaube ich, dass wir noch ganz viele Möglichkeiten haben.

Das ist ein schöner Schlusspunkt, eine tolle Vision. Dein Buch hat eine psychodellisch-transformative Wirkung. Insofern kann ich nur jedem sagen, es steckt so viel mehr drin, was wirklich was mit einem macht, wenn man es liest. Das ist phänomenal. Ich würde mich freuen, wenn viele diese Chancen nutzen. Ich danke dir zutiefst, dass du das alles zu Papier gebracht hast. 

Ich danke dir für die tollen Fragen und die Erfahrung, verstanden zu werden. Ich habe es ja schon mal gesagt: Als ich das Buch geschrieben habe, habe ich noch nie so lange ein Buch geschrieben, drei Jahre. Ich bin immer wieder in so einen Zustand gekommen, in dem ich gerungen habe mit etwas, wofür es eigentlich noch gar keine Worte gibt. Ich habe häufig gedacht: „Okay, entweder die Leute lesen das Buch und denken, Alter, der hat irgendwas genommen.“ Oder ich vertraue darauf, dass diese Botschaft im kollektiven Feld jetzt einfach reif ist und dass viele von uns die jetzt pflücken können. Das macht mich sehr happy, wenn ich mit jemandem spreche, der das so tief verstanden hat. Vielen Dank dafür.

Danke dir für das Gespräch und auf bald. Tschüss.

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