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Die Kopfverdreherin

Lovestory einer Sonnenblume

Die Kopfverdreherin

Hallo, ich bin Helianthus Annuus. Du kannst auch Heli sagen, das sagen viele zu mir. Ich bin wie ein Kompass, der sich nach der Sonne ausrichtet.

Einer meiner Vorfahren war der bedeutende griechische Sonnengott Helios. Seine bildschönen Schwestern waren die Morgenröte namens Eos und Selene, die Mondgöttin. Unverkennbar pulsiert ihr Blut in meinen Adern. Der alte Sonnengott fuhr jeden Morgen mit seinem vierspännigen Wagen von Ost nach West über den Himmel, immer seiner Morgenröte hinterher. Dieses Ritual verfolgt mich bis zum heutigen Tag. Morgens öffne ich meine Augen und schaue gespannt nach Osten. Der erste Sonnenstrahl ist Magie. Er küsst mich wach wie Dornröschen. Und dann kommt sie, die aufgehende Sonne, und sofort startet mein Photosynthese-Kraftwerk. Da stehe ich, Auge in Auge mit der Sonne, deren Blick mich von nun an nicht mehr loslassen wird. Von morgens bis abends poussiere ich mit der Sonne und himmle sie an. Heute reise ich von Ost nach West, um mich morgen wieder auf Osten zu freuen. Wie der alte Helios schweife ich täglich am Himmel entlang und fange das Leuchten ein, wie mir das keine andere Blume nachmacht. Die Leute rufen mich nach dem was ich bin: Blume der Sonne. Man braucht gar keinen extra Namen für mich erfinden, weil Sonnenblume meine ganze Geschichte erzählt.

Ich weiß, wer ich bin

Weil ich weiß, wer ich bin, habe ich eine einzigartig faszinierende Leuchtkraft. Dabei mache ich nichts Besonderes. Ich schaue lediglich in die Sonne und sinne ihr nach. Wahrlich kein Hexenwerk. Das kann eigentlich jede*r. Darin liegt meine ganze Ausstrahlung. Ich schaue in die Sonne und fange an zu lachen. Manches Kind malt mir voll Freude ein Gesicht in meinen Samenstand. Ich schaue in die stärkste Energiequelle und werde selbst zur Energie. Wo ich geh´ und steh´ löse ich Schmunzeln aus. Ich bin eine echte Aufreißerin, die den Traurigen die Mundwinkel hochzieht. Ich bin der volle Hingucker, bei dem keine*r wegschaut. Ohne dass ich mich anstrenge, drehen sie sich den Kopf nach mir um. Meine Macht liegt in dem, was ich anschaue. Das, was ich bin, kommt nicht aus mir, sondern wird mir zugeblinzelt. Ich fixiere mich auf die Sonne und werde zur Sonne. Meine Augen saugen nur Licht und Wärme auf. Mein Freund Peace Pilgrim sagte einmal: “Lebe deinem hellsten Licht gemäß und dir wird mehr Licht zuteil werden.”

Du kannst mir vorwerfen, das wäre spießig, wenn ich nicht auch die große, weite Welt betrachte. Es gibt ja schließlich noch den Mond, die Sterne, die Wolken, den Regen und die Erde unter den Füßen. Da ist so viel Wunderbares und genauso Einzigartiges, das meinen kleinen Horizont erweitern will. Da sage ich: Ja, du hast recht! Das ist wirklich so. Ich bin umgeben von atemberaubender Schönheit, von dem satten Kornfeld, das neben mir auf dem Acker steht, von Bergketten die fast am Himmel streifen, von dem Wasserfall, der aus der Ferne in meinen Ohren rauscht. Ja, du hast recht, ich bin ein Teil dieses Gemäldes, das von all diesen Farben lebt. Doch eines habe ich gelernt: ich bin Heli, die Sonnenblume. Ich gehöre zu diesem Gesamtkunstwerk, weil ich allein die Sonne anbete. Ich könnte niemals so kraftvoll den Asphalt durchstoßen, wenn ich zusätzlich noch die Wolken anschaute. Ich weiß, wer ich bin, deshalb bin ich unschlagbar.

Irgendwann habe ich mich entschieden, alles was nicht zu mir gehört, was mir nicht dient, was mich nicht ausmacht, aus meinem Gesichtskreis zu entlassen. Aus dem unendlichen Kosmos habe ich nur das ausgewählt, was mich perfekt macht. Erst seit ich mir erlaube, Heli zu sein, bin ich kraftvoll und einzigartig. Ich konzentriere mich nicht mehr auf interessante Nebenschauplätze, sondern auf die Sonne, die mich vollkommen macht. Ich bin deshalb groß geworden, weil ich meinen Fokus konzentriert habe.

Entdecke, was dich stark macht

Als Heli möchte ich dir den Tipp meines Lebens geben. Verwässere nicht das Besondere, das du sein könntest, indem du meinst, alles sein zu müssen. Erlaube dir, einmalig zu sein und alles abzustreifen, was du nicht bist. Hab keine Angst, zu kurz zu kommen, wenn du das in dir zulässt, was in dir leuchten will. Entdecke die ungeheure Kraft, die sich dort entlädt, wo du der*die bist, zu dem*der du gedacht bist. Drehe den Blick auf die Energie, die in dir leben will. In dir hat der Schöpfer ein Geheimnis eingepflanzt, das in die Welt strahlen will. Du spürst es schon, lasse es zu.

Blühende Grüße, 

euer Blumenmönch Theophilos

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