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Das Wunder der Potenzialentfaltung – Gerald Hüther im Gespräch mit Veit Lindau -Folge 53

Beim folgenden Text handelt es sich um automatisch generierte Zeilen des von Veit Lindau eingesprochenen Podcasts. Diese wurden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz korrigiert, sodass sie weitgehend korrekt sind. Für etwaige Fehler entschuldigen wir uns. Den Originalpodcast kannst du über die untere Player-Leiste hören.

Beim folgenden Text handelt es sich um automatisch generierte Zeilen des von Veit
Lindau eingesprochenen Podcasts. Diese wurden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz
korrigiert, sodass sie weitgehend korrekt sind. Für etwaige Fehler entschuldigen wir uns.
Ich wünsche dir einen wundervollen Tag, herzlich willkommen zu einer weiteren Folge meines
Podcasts Seelengevögelt – Für die Rebellen des Geistes. Heute freue ich mich ganz
besonders, dir wieder einen Ausschnitt aus einem meiner persönlichen Gespräche mit
Professor Gerald Hüther präsentieren zu dürfen.
Ich lege diese Episode wirklich jedem Erwachsenen ans Herz. Es geht um die Objektifizierung
von Kindern, das heißt, es ist für dich als Elternteil sehr spannend, aber natürlich auch die
Objektifizierung, die wir alle in unserer Kindheit erfahren haben.
Die Grenzen, die dadurch entstanden sind, die Altlasten, die wir oft auch später noch in uns
tragen und wie wir sie loslassen können. Es ist eine wundervolle Folge, sie berührt, sie macht
Mut. Ich wünsche dir ganz viele wertvolle Erkenntnisse und danke, dass du diesen Podcast
hörst.
Ich würde jetzt gerne das, was wir gerade besprechen, sehr weit fassen. Ich möchte jetzt auf ein

paar spezifische evolutionäre Baustellen eingehen. Ich würde gerne mit der Eltern-Kind-
Beziehung beginnen.

Also, als ich dich das erste Mal gehört habe, hat mich das sehr betroffen gemacht, weil ich
meine Tochter wirklich sehr liebe. Das weiß ich und gleichzeitig zu sehen, sehr klar zu sehen,
wie oft ich sie als Objekt behandelt habe, sehr streng, und wie oft ich das auch heute noch
mache, wenn ich nicht aufpasse, wenn sie sich meiner Meinung nach nicht genug um ihre
Angelegenheiten kümmert und so weiter und so fort.
Und wie schwierig das ist, selbst wenn man es verstanden hat, da wieder rauszukommen. Das
ist etwas, was mich sehr berührt und das ist eine Frage, die immer sofort im Publikum auftaucht,
wenn ich über diese Thematik spreche.
Und ich fange mal gleich mit der ersten Frage an, die viele Eltern bewegt: Woran erkenne ich,
dass ich mein Kind gerade als Objekt behandle? Das erkennst du daran, dass du dich fragen
musst: Habe ich es jetzt genügend eingeladen, habe ich es genügend ermutigt und habe ich es
genügend inspiriert?
Und wenn du da irgendwo „nein“ sagen musst, dann war es falsch. Und so einfach ist das dann.
Konkret – und das ist eigentlich immer nur in der Konkretheit verständlich – was man damit
meint. Ein Beispiel, das ich auch von vielen Eltern kenne:
Sie wünschen sich natürlich alle, dass das Kind ein Musikinstrument erlernt. Das finde ich auch
wunderbar. Und dann wählen sie meistens ein Instrument aus, besorgen einen Lehrer und
fragen das Kind. Das sagt dann, ja, es will es gerne. Und dann geht es los und nach einem Jahr
spätestens ist das Theater da. Hier haben sie das Kind zum Objekt ihrer eigenen Vorstellung
gemacht.
Wie könnte man es anders machen? Man könnte es anders machen, indem man zum Ausdruck
bringt, dass man sich unglaublich freut, dass man selbst ein Instrument spielen kann oder
indem man vielleicht auch sein Bedauern, wie das in meinem Fall wäre, zum Ausdruck bringt,
dass man Eltern gehabt hat, die einem da nicht so richtig auf die Sprünge geholfen haben. Und
dass man nun kein Instrument spielen kann.

Deshalb wäre es wichtig, in dem Kind erstmal so einen Wunsch zu wecken, dass es ein
Instrument spielen will. Und wenn es sagt, okay, ich will also jetzt Geige lernen, dann machen
wir mal Geige. Die erste Frage wäre, und hier merkt man, wie die Verantwortung als
Erziehender auf Seiten der Eltern liegt: Ist Geige jetzt ein Wunsch des Kindes, ein authentischer
Wunsch des Kindes oder ist das nur ein Wunsch, weil die Freundin auch Geige spielt?
Dann wäre es ein von außen induzierter Wunsch. Man würde sein Kind nehmen und sagen,
dass man es toll findet, dass es Geige spielen möchte, aber dass es vielleicht andere
Instrumente kennenlernen sollte, bevor es sich entscheidet. Man könnte gemeinsam ein
Orchester besuchen, um verschiedene Instrumente zu erleben und herauszufinden, was das
Kind wirklich begeistert.
Wenn das Kind dann Oboe statt Geige wählt, sollte man erklären, dass das Lernen eines
Instruments wie der Oboe herausfordernd sein kann und dass es wichtig ist, dranzubleiben,
auch wenn es schwierig wird. Man kann eine Vereinbarung treffen, wie zum Beispiel: „Wenn du
mal keine Lust mehr hast, üben wir weiterhin täglich eine Viertelstunde und wenn du wirklich
nicht mehr möchtest, besprechen wir das nochmal.“
Diese Art der Kommunikation und Vereinbarung hilft dem Kind, sich als Subjekt zu fühlen und
Verantwortung zu übernehmen. Wenn das Kind nach einem Jahr keine Lust mehr hat, dann
verkauft man die Oboe. So weiß das Kind immer, warum es nicht Oboe spielt, weil es selbst die
Entscheidung getroffen hat.
Ich glaube, das ist eine klare Wahrnehmung der elterlichen Führungsrolle. Es geht nicht um
autoritäre Erziehung, sondern darum, dem Kind Orientierung zu bieten und dabei seine
Subjekthaftigkeit zu respektieren. Es geht darum, dass die Freude am Lernen und Entdecken
nicht verloren geht. Das ist die Grundlage, auf der Kinder glückliche und erfüllte Erwachsene
werden können.
Und was, wenn das Kind jetzt nach einem Jahr sagt, ich will mich nicht mehr an die Regeln
halten? Dann wird man sagen, dass man das sehr bedauerlich findet und dem Kind eine
Bedenkzeit gibt. Also, dass man sich das nochmal überlegen soll, dass man nicht so schnell die
Sachen in die Ecke werfen darf, weil das kommt im Leben vor, dass man etwas anfängt und es
dann weglegt. Da gehört es zur elterlichen Führungsrolle, dem Kind zu erklären, dass man das
nicht gut findet, wenn man Dinge anfängt, um sie dann in die Ecke zu schmeißen. Deshalb hat
man ja vorher gemeinsam so genau überlegt, ob man das will. Und dann ist eine Bedenkzeit
das Richtige, und dann nach einer Woche sagt man so, wie sieht es denn jetzt aus?
Und wenn dann das Kind sagt, nee, will also definitiv nicht mehr, dann verkaufen wir die Oboe.
Dann weiß das Kind aber das ganze Leben lang, warum es nicht Oboe spielen kann. Das hat es
selbst so gewählt. Und das ist auch wieder eine andere Situation, als wenn man dahin getrieben
wird und Oboe lernen muss, weil man einmal sich auf sowas eingelassen hat und dann nicht
mehr rauskommt. Dann kann es sogar passieren, dass jemand einigermaßen Oboe spielen
kann, aber diese Art von Musikinstrument beherrschen, dazu kommt es dann nicht mehr, weil
das Oboe-Lernen und das Erlernen des betreffenden Musikinstruments dann nicht mehr aus
dem Kind herauskommt. Das ist sozusagen eine andere Situation, als wenn man selbst die
Entscheidung getroffen hat.
Viele Eltern, die das jetzt hören, könnten sagen, ich habe aber Angst, dass mein Kind vielleicht
nie etwas richtig macht, dass es so viele Ablegungen gibt, muss ich das riskieren? Da ich als
Elternteil mein Kind ernst nehme, muss ich dieses Risiko eingehen, muss aber auch mit aller
Deutlichkeit klarmachen, dass ich das nicht begrüße, dass ich da nicht zustimme und dass ich
das jetzt so mache, weil das Kind darauf besteht, aber dass das nicht meine Zustimmung findet.
Damit muss das Kind dann auch leben.
Das ist keine autoritäre Erziehung, sondern eine klare Wahrnehmung der elterlichen
Führungsrolle. Solche Eltern, die so vorgehen, weigern sich nicht, Verantwortung für das Kind

zu übernehmen, sondern sie gehen in diese Verantwortung. Unter autoritärer Erziehung wird
häufig etwas verstanden, wo das Kind machen kann, was es will und keiner da ist, der ihm
Grenzen setzt.
Ja, es geht schon um Grenzen. Aber deshalb dieses Beispiel mit dem Musikinstrument, es geht
nicht so sehr um Grenzen, sondern es geht um eine vertrauensvolle Herausarbeitung mit dem
Kind, wo die Grenzen sind. Es geht nicht so sehr um die Festlegung der Grenzen, sondern um
die Orientierung.
Und die Hauptorientierung müsste für Eltern, die in dieser Beziehung zu ihren Kindern glücklich
werden wollen, immer heißen: Alles darf passieren, aber die Freude am Leben und am Lernen
darf meinem Kind nicht verloren gehen. Das ist, glaube ich, etwas, was viele Eltern nicht richtig
bedenken. Sie sind ständig darauf aus, dass Ergebnisse produziert werden, dass bestimmte
Leistungen herauskommen, aber die Grundlage dieser Leistung ist immer die Freude, mit der
man etwas tut. Das ist ihnen nicht so klar. Gehen wir in den Bereich Schule, genau das Gleiche.
Es ist nicht so wichtig, was ein Kind am Ende alles aus der Schule mitbringt, wenn es nur eines
nicht verloren hat: die Freude am Lernen. Sie werden kein Kind finden, das die Schule
absolviert hat und die Freude am Lernen beibehalten hat, das nicht seinen Weg geht. Es ist
egal, welche Zeugnisse es hat, es wird seinen Weg gehen, weil es sich das alles aneignet, was
es danach braucht. Es findet auch seinen Weg. Es gibt viele Wege, wie man dann dorthin
kommt, wo man hin will.
Was aber überhaupt nicht funktioniert, ist, dass man ein Kind dazu bringt, mit allen möglichen
Maßnahmen ein gutes Abitur abzulegen und dabei die Lust am Lernen verliert. Dann haben sie
ein Kind, das ein vernünftiges Abitur hat, aber nicht weiß, was es will. Weil es auf alle Fälle nicht
mehr will, nämlich weiter lernen. Und das ist dann schwierig, und viele Eltern kennen das. Dann
müssen sie erstmal noch zwei Jahre nach Australien und mal gucken, was so alles noch geht.
Wenn man Glück hat, erholt sich das Kind dann von diesen ganzen Erfahrungen, die es in der
Schule machen musste, als Objekt behandelt
zu werden. Und es kommt dann auf eine eigene Idee. Aber wie viele gibt es, die da versagen,
die da irgendwo auf der Strecke bleiben und überhaupt nicht wieder zurückfinden in diesen
Modus, in dem sie mit dieser unbändigen Offenheit sich in der Welt bewegen und die
Möglichkeiten nutzen, die es gibt, um Neues zu entdecken und gemeinsam mit anderen etwas
zu gestalten?
Ich gehe noch einen Schritt zurück in die Zeit, also wenn ich mit meinem Kind noch nicht
gemeinsam Grenzen erarbeiten kann. Ich denke zum Beispiel an die Phase, wo Kinder oft
beginnen, Grenzen auszutesten. Wie kann ich in dem Alter, also wenn es noch keine wirkliche
Diskussionsgrundlage gibt, dem Kind dennoch helfen, Grenzen wahrzunehmen?
Im Einzelfall ist das relativ schwierig, weil man sich immer die jeweilige Situation genau
angucken muss. Was vielleicht generell hilft, ist, dass man versucht, die Situation, in die man da
mit dem Kind geraten ist, nicht aus seiner Perspektive zu betrachten, sondern aus der
Perspektive des Kindes.
Und wenn ich diese Perspektive des Kindes einnehme, dann sehe ich auch plötzlich die
Lösungsmöglichkeiten. Die ich natürlich überhaupt nicht sehen kann, wenn ich mit meinen fixen
Vorstellungen, wie jetzt irgendetwas zu machen ist und bis wann und auf welche Weise, da
sehe ich nicht, was das Kind eigentlich wirklich will. Kleine Kinder müssen, da kann man ja nur
froh sein, dass die das tun, ausprobieren, was geht. Wie weit man mit der Mama so gehen
kann, bis die dann irgendwann mal eine Grenze zieht und sagt, das ist mir jetzt zu viel, jetzt
fängst du an, mich zu benutzen.

Das versteht das Kind zwar nicht, aber es merkt es ja, das Kind fängt an, die Mama zu
manipulieren. Da merkt man, jetzt macht mich das Kind zum Objekt seiner Wünsche und Ziele.
Das hat es auch schon relativ geschickt irgendwo abgeguckt oder selbst herausgefunden, wie
das geht.
Und da ist es allerhöchste Zeit, dass man in seine Subjekthaftigkeit zurückfindet und sagt, hier
stehe ich, ich bin für dich verantwortlich, ich kann nicht anders. Ich muss jetzt sagen, das
machen wir nicht.
Und da zeige ich mich als Subjekt. Und da habe ich noch nichts weiter gemacht, da habe ich
das Kind nicht zum Objekt meiner Ziele gemacht. Ich zeige mich als ein verantwortlicher Vater.
Und dann muss das Kind darauf reagieren.
Und was dann normalerweise passiert, ist, dass das Gegenüber – und das gilt nicht nur bei
Kindern, sondern auch bei Erwachsenen – wenn sich einer in einem Gespräch oder in einer
Begegnung als Subjekt offenbart, macht der andere das auch.
Ich habe dieses schöne Beispiel, das ich dann immer erzähle, um das deutlich zu machen:
Wenn Sie als Erwachsener irgendwo auf einem Amt sind oder beim Arzt oder zum
Lehrersprechtag, da sitzen Sie dann auf dem Stuhl und dann werden Sie da richtig rund
gemacht, was alles furchtbar ist. Sie haben wieder alles falsch gemacht und so geht’s nicht, das
müssen Sie jetzt und das müssen Sie.
Dann sage ich immer, bleiben Sie einfach mal sitzen. Ganz ruhig und gelassen, hören Sie sich
das alles an. Und wenn Ihr Gegenüber dann fertig ist mit seiner Litanei, dann sagen Sie: „Ja,
das habe ich alles verstanden. Und es kann sein, dass Sie recht haben. Aber die Art und Weise,
wie Sie das jetzt gesagt haben, die tut mir weh. Ich komme mir vor, als ob Sie mich wie ein
Objekt behandeln, wie ein Auto. Und ich möchte auch ein Mensch sein, ich möchte ernst
genommen werden. Ich möchte, dass wir miteinander Lösungen finden. Und deshalb bleibe ich
jetzt hier sitzen und biete Ihnen die Möglichkeit, das vielleicht nochmal anders zu sagen.“
Und da passiert etwas Wunderbares, weil da können Sie relativ sicher sein, dass das auch so
ist. Die schlimmste Form, aber auch da ist das, was ich eben gesagt habe, evident, die
schlimmste Form ist, dass der andere einen Wutausbruch kriegt und sagt: „Raus, so ist mir
noch keiner gekommen und das mache ich nicht und das ist nicht meine Aufgabe.“
Dann sagen Sie: „Danke, das ist schön, dass Sie sich jetzt so gezeigt haben, denn jetzt sind Sie
zum Objekt geworden. In aller Furchtbarkeit, aber Sie haben sich wenigstens gezeigt. Jetzt
kann man sich von Ihnen verabschieden und rausgehen und muss sich nicht lange ärgern. Man
hat immerhin gesehen, was Sie für einer sind.“
Und häufiger geht es andersrum, dass der plötzlich aus dem Muster rausfällt, weil das ist ihm
überhaupt noch nicht passiert, dass ihm einer sowas sagt. So will er eigentlich auch gar nicht
sein. Und dann sagt er: „Das tut mir jetzt leid, ich wollte das nicht so sagen. Wenn Sie darauf
bestehen, kann ich es nochmal anders sagen.“ Ja, bitte, das wäre schön. Und dann sagt er es
nochmal anders und dann sieht man: „Oh, jetzt ist er lebendig. Jetzt zeigt er sich als Mensch
und versucht zu erklären, warum diese Steuererklärung falsch abgegeben wurde.“
Dann sagen Sie: „Okay, das habe ich jetzt verstanden. Danke, das mache ich dann auch. Kein
Problem.“
Da muss man fragen, warum es so viele Eltern gibt, so viele Erwachsene, die gar nicht in ihrer
Subjekthaftigkeit sind. Die irgendwelche Rollen spielen, die Rolle des Elternteils, des Lehrers,
des Arztes oder des Professors, was auch immer. Die Antwort ist, weil sie das als eine Lösung
im Laufe ihrer Entwicklung gesehen haben.

Mit anderen Worten, jeder von uns hat in seiner frühen Kindheit – jeder ist ja erst mal
losgegangen als Subjekt, kleine Kinder sind immer Subjekt, die erleben sich auch nicht als
Objekt. Die sind, wenn sie mit ein, zwei Jahren als Objekt von den Eltern behandelt werden,
noch nicht in der Lage, das zu verstehen. Die haben noch keine Vorstellungskraft, was da mit
ihnen gemacht wird. Und plötzlich so mit drei, wenn die Sprache da ist und sie das erste Mal
sagen, das war nicht der Peter, sondern das war ich, dann ist der Zeitpunkt, wo sie merken,
dass da was passiert, dass sie etwas machen sollen, was sie nicht wollen.
Und das heißt, sie erleben sich als Objekt elterlicher Vorgaben, Maßnahmen, Erwartungen oder
was auch immer. Das tut wahrscheinlich in einer Weise weh, wie wir uns das gar nicht vorstellen
können, weil das bedeutet, dass man aus dieser Verbundenheit mit den Eltern rausgeworfen
wird. Bisher war man als Subjekt immer drin. Also, so blöd die einen vielleicht bis dahin
behandelt haben, man hat’s mindestens nicht gemerkt. Aber jetzt plötzlich merkt man es, und
plötzlich merkt man, dass man hier nicht mehr dazugehört und behandelt wird.
Und diesen Schmerz müssen die Kinder überleben. Ich nehme an, dass ein Kind, wenn es das
nicht schafft, sterben würde. Unser Gehirn ist aber so leistungsfähig, dass wir in der Lage sind,
eine Lösung für dieses Problem zu finden.
Die einfachste Lösung, die Kinder dann finden, ist, den anderen auch zum Objekt zu machen.
Dann sagen sie: „Blöde Mama“, und jetzt haben sich zwei gefunden. Der eine macht den
anderen zum Objekt, der andere macht den einen zum Objekt. Damit haben wir jetzt plötzlich
eine Beziehung miteinander, die darauf beruht, dass nicht mehr zwei Menschen einander
begegnen, sondern zwei sich wechselseitig als Objekte behandeln. Es gibt Kinder, die das
extrem gut leben.
Und das wird dann im Kindergarten noch weiter so gehen, dass sie auch dort ihre Vorstellungen
durchsetzen. In der Schule kommt das dann besonders gut zur Geltung. Die Erfolgreichen, die
die Lehrer an der Nase herumführen und mit guten Abschlüssen rauskommen. Am Ende sind
das die erfolgreichen Leute in unserer Gesellschaft, die man überdurchschnittlich oft in
Positionen in der Wirtschaft, der Politik, den Medien findet, wo es Macht über andere
auszuüben und andere für seine Zwecke zu missbrauchen gibt.
Die Frage ist, ob man erfolgreich in der Leistungsgesellschaft ist, wenn man sich selbst zum
Objekt macht. Das passiert automatisch und ich lerne aus dieser Rolle, wo ich selbst zum
Objekt gemacht werde, andere zum Objekt zu machen.
So komme ich auch in eine gewisse Subjekthaftigkeit zurück. Nur ist das für ein
Zusammenleben unmöglich. Für das, was wir uns eigentlich wünschen, was im 21. Jahrhundert
wahrscheinlich die Grundlage dafür wird, dass wir die Probleme auf dieser Welt lösen können –
nämlich für Ko-Kreativität – ist da überhaupt kein Raum.
Ko-Kreativ können Objekte miteinander nicht sein. Das braucht schon die subjekthafte
Begegnung und den offenen Austausch, der nicht an Bedingungen geknüpft ist. Es gibt Kinder,
die das nicht schaffen. Das ist eine interessante Frage, warum manche Kinder es nicht können.
Die bringen es nicht fertig, die Mama oder den Lehrer zum Objekt zu machen und finden dann
die zweite, genauso fatale Lösung: Sie machen sich selbst zum Objekt.
Sie sagen dann: „Ich bin blöd, ich bin nicht schön genug, ich bin zu doof für Mathe, ich kann das
nicht.“ Dann hat man eine Situation, in der sich jemand selbst zum Objekt macht und sich selbst
nicht mehr leiden kann. Dann habe ich gar kein Subjekt mehr, mit dem ich in den
Entgegenkommen kann. Dann bin ich selbst Objekt und kann mich selbst nicht leiden. Das sind
dann sehr unangenehme Zeitgenossen, die überall rumlaufen und an der Welt und sich selbst
leiden.
Sie haben zu sich selbst keine gute Beziehung und bekommen auch keine zu anderen. Sie
können sich selbst nicht lieben, und ohne Selbstliebe kann man auch kein Liebender sein. Es

gibt Menschen, die diese Rolle annehmen und andere zu Objekten machen, während sie sich
selbst auch zum Objekt machen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn jemand in eine
SM-S
ituation geht und sich dort dominieren lässt, während er draußen ein Manager ist und ab und zu
dieses Gefühl braucht, Objekt zu sein. Das ist eine innere Festlegung, die manche Menschen
im Laufe ihrer Kindheit entwickeln.
Dieses innere Bild bestimmt dann die Art und Weise, wie sie sich weiter in der Welt bewegen
und welche Erfahrungen sie machen. Wenn nicht etwas dazwischen kommt, bleiben sie in
diesem Muster stecken. Kinder sind eigentlich unsere Chance, uns wieder selbst daran zu
erinnern, dass wir Subjekte sind.
Jetzt nehme ich mal die Perspektive eines Elternteils ein: „Ich fühle mich betroffen. Aber ich
habe einen 12-Stunden-Arbeitstag. Wenn ich nach Hause komme, bin ich müde und erschöpft.
Und wenn mein Kind als Subjekt auf mich zukommt, will ich eigentlich nur, dass es Ruhe gibt.“
In diesem konkreten Fall wäre es klug, sich selbst Zeit zu nehmen, bevor man nach Hause
kommt. Zum Beispiel, indem man dreimal ums Haus läuft, um in einen Zustand zu kommen, in
dem man sich auf das Kind einlassen kann. Wenn das nicht geht, sollte man lieber nicht nach
Hause gehen.
In einem weiteren Sinne zeigen uns Kinder mit ihrer anfänglichen Subjekthaftigkeit immer
wieder, worauf es ankommt. Eltern haben eine große Chance, mit der Geburt eines Kindes
einen Spiegel vorgehalten zu bekommen, der sie daran erinnert, dass sie so nicht sein wollen,
wie sie sind. Wenn man das erkennt und versteht, kann man an sich selbst arbeiten und es
anders versuchen.
Das war ein Kapitel aus dem Podcast Seelengevögelt – Für die Rebellen des Geistes von Veit
Lindau. Ich würde mich sehr freuen, wenn du meinen Podcast abonnierst und ich so die
Möglichkeit hätte, in deinem Leben einen kleinen, guten Unterschied zu bewirken.

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